Zu Lisa Fitz und ihren „Flüsterwitz“-Veranstaltungen in München 2020

Wie der Homepage von Lisa Fitz zu entnehmen ist, tritt sie dieses Jahr ganze fünf Male mit ihrem Programm „Flüsterwitz“ in München auf, darunter mehrfach im Schlachthof und im Lustspielhaus.[1] Auf einer Veranstaltungsseite wird erläutert[2], ein Flüsterwitz könne „Machthabern gefährlich“ werden und kursiere immer dann, „wenn man mit einem autoritären System haderte oder Repressalien befürchtete“. Angesichts der Person Lisa Fitz kommt uns eine weitere Assoziation in den Sinn: „Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.“ Geflüstert wird dieser Feststellung Theodor W. Adornos zufolge also nicht nur, wenn man sich mit gefährlichen Machthabern und einem autoritären System anlegt, sondern auch, wenn man sich bar jeder Realität lediglich einbildet, genau das zu tun – und die Machthaber mit Jüdinnen*Juden identifiziert. Lisa Fitz jedenfalls ist eine Person, die über Jüdinnen*Juden „flüstert“ und Gerüchte verbreitet.

Zugegeben: Im Ankündigungstext der Veranstaltungsseite findet sich kein expliziter Hinweis auf Antisemitismus. Das Geraune über die „Machthaber“ bleibt ebenso abstrakt wie über die „demokratische Diktatur der Parteien“. Wen genau meint Lisa Fitz denn? Ein Blick auf ihr Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“, den sie im Januar 2018 auf Youtube veröffentlicht hat, bietet Auskunft. Darin heißt es: „Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen?/Der Schattenstaat, die Schurkenbank, der Gierkonzern, Wer nennt die Namen und die Sünden dieser feinen Herrn? Rothschilds, Rockefeller, Soros & Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten.“[3]

Reproduziert wird hier die Vorstellung einer im Hintergrund („Schattenstaat“) agierenden Weltverschwörung, die aufgrund moralischer Verkommenheit („Schurken“, „Gier“) und persönlicher Gewinnsucht („des Teufels Dollars“, ebenfalls „Gier“) für die Übel dieses Planeten verantwortlich zu machen ist („Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen?“). Soweit, so verschwörungsideologisch. Eine deutlich antisemitische Färbung gewinnen diese Zeilen durch die Identifizierung der „Schurken“ mit Rothschild, Rockefeller und Soros: Bei zwei von ihnen handelt es sich um Juden bzw. jüdische Familien. George Soros, ein ungarisch-amerikanischer Investor und Philanthrop, ist derzeit beliebtes Ziel antisemitischer Agitation. So betreibt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán aktuell eine umfassende Hetzkampagne gegen Soros: Er wirft ihm vor, im Hintergrund sowohl die ungarische Opposition als auch Hillary Clinton zu kontrollieren[4] sowie Europa mit Flüchtlingen zu „überschwemmen“[5], und spricht in solchen Zusammenhängen auch von einer Verschwörung zwischen Jüdinnen*Juden und Linken[6]. In München befasste sich zudem der Ortsverband Ost der AfD mit den vermeintlichen Machenschaften von Soros[7]. In dieses antisemitische, rassistische und rechtsradikale „Gruselkabarett“ reiht sich nun auch Lisa Fitz ein. Ihr Geraune von der Political Correctness, die zur „Meinungsdiktatur“ würde, fügt sich dabei wunderbar ein, macht es doch das rechtspopulistische Märchen komplett.

Während George Soros ein aktuelles Beispiel antisemitischer Agitation darstellt, beweist Lisa Fitz in ihrer Aufzählung allerdings auch Traditionsbewusstsein. Die jüdische Bankiersfamilie der Rothschilds steht seit dem 19. Jahrhundert im Zentrum antisemitischer Hetze. Ähnlich wie im Falle Soros lautete der Vorwurf, sie würden zum Zwecke der Anhäufung von Geld über Krieg und Frieden in Europa bestimmen sowie Regierungen kontrollieren[8]. Auf die „Juden der Könige“, wie sie damals genannt wurden, zielte auch der NS-Propagandafilm „Die Rothschilds“ von 1940 ab. Dieser Film wurde von Joseph Goebbels gemeinsam mit „Jud Süß“ und „Der ewige Jude“ gefördert und verbreitet[9].

Diese antisemitische Tradition führt Lisa Fitz heute Seite an Seite mit Viktor Orbán und der AfD fort, wenn sie von Machthabern und autoritären Systemen schwadroniert. Dabei bleibt die Problematik um Lisa Fitz bei diesem Song gar nicht stehen.[10] Nicht nur, dass dieser erstmals auf dem Youtube-Kanal Heiko Schrangs, eines Sympathisanten der Reichsbürgerbewegung, veröffentlicht wurde und sie damit Verbindungen ins Querfront-Milieu offenbart: So war sie selbst auch schon zu Gast beim russischen Staatssender RT Deutsch und halluzinierte sich hierbei als eine der wenigen Kabarettist*innen in Deutschland, „die noch die Meinung frei sagen können“ – ohne auch nur mit einem Wort die Situation der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland anzusprechen. Darüber hinaus solidarisierte sie sich mit dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen nachdem es zu Protesten an der Verleihung des Kölner Karlspreises für engagierte Literatur an seine Person kam. Es sei daran erinnert, dass Jebsen auf seinem Kanal KenFM behauptet, Mossad und CIA stecken hinter den Anschlägen auf das World Trade Center und auf Charlie Hebdo.[11] Statt derartige Verschwörungstheorien zu kritisieren oder sich einfach rauszuhalten ließ Fitz ein Grußwort auf der Preisverleihung verlesen. Auch für Willy Wimmer, einen Autor des neurechten „Compact“-Magazins, äußerte sie in der Vergangenheit bereits Bewunderung, ebenso für Daniele Ganser, der ebenfalls Verschwörungstheorien zu 9/11 verbreitet und seine Bücher im Kai-Homilius-Verlag veröffentlicht – jenem Verlag, der auch die „Compact“ herausgibt.[12]

Lisa Fitz liefert ein weiteres Beispiel dafür, wie die Querfront funktioniert. Abseits ihrer Verbindungen ins neurechte Milieu um „Compact“ und Sympathisaten der Reichsbürgerbewegung ist sie in der Vergangenheit nämlich auch immer wieder in linken Kontexten aktiv geworden. So unterstützte sie nicht nur die Bewegung „Aufstehen“ Sarah Wagenknechts (DIE LINKE), sondern sprach 2017 auch auf der Anti-Siko-Demo der Friedensbewegung am Münchner Stachus.[13] Dort behauptete sie, “der Aufstieg des IS“ sei „eine absichtsvolle Entscheidung der US-Regierung“ gewesen und er werde “von den USA und Israel nach Bedarf gelenkt“. Von Personen aus der linken Bewegung erwarten wir allerdings, sich von Gestalten wie Lisa Fitz fernzuhalten und ihr keine Bühne zu bieten. Unabhängig davon ob Fitz sich dessen bewusst ist, sind ihre Theorien hochgradig anschlussfähig an antisemitische Ressentiments.

In der Vergangenheit hatten wir als LBGA bereits häufiger Auseinandersetzungen mit Lisa Fitz.[14] Infolgedessen hat sie auch ein Statement in unsere Richtung verfasst, auf das wir hier nur knapp eingehen wollen.[15] Darin vergleicht sie die Kritik an ihre Agitation mit der Diskriminierung der Jüdinnen*Juden durch den Nationalsozialismus: „Wird die (Meinungs-)Freiheit schon soweit eingeschränkt, dass man bestimmte Menschen ächten muss, so wie damals („Kauft nicht bei…. “)?“ Das stellt eine massive Verharmlosung der Leiden der jüdischen Bevölkerung durch das NS-Regime dar. Unsere Kritik stellt nämlich mitnichten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit dar – so wenig wie die „Kauft nicht bei Juden“-Kampagne der Nazis lediglich Ausdruck beseitigter Grundrechte war. Allein dadurch, dass sich Fitz selbst mit dem Schicksal von Jüdinnen*Juden zur NS-Zeit in einen Zusammenhang bringt, disqualifiziert sie für jeden offenen Diskurs mit ihr. An späterer Stelle heißt es:Wirkliche (Wieder-)Integration des Judentums (unter Berücksichtigung unserer deutschen Vergangenheit) kann m.E. Erachtens nur stattfinden, wenn sich Juden […] bereit erklären, sich einer zeitgemäßen (auch satirischen) Kritik auszusetzen – in neuer Zeit und in neuem Kontext, auf neuer Basis, in einem Miteinander, einem neuen Aufeinander-Zugehen.“ In diesem Satz fordert Fitz nichts Anderes als dass es an Jüdinnen*Juden liegt, um in Deutschland wieder akzeptiert werden zu können – indem sie ihrerseits kritiklos akzeptieren, dass man als Nicht-Jüdin wie Lisa Fitz unter dem Deckmantel der Satire antisemitische Songs veröffentlichen darf. Ihre Behauptung, der IS würde von den USA und Israel gelenkt, bekräftigte sie darüber hinaus. Von einer Reflexion und Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der Diskriminierung von Jüdinnen*Juden kann folglich keine Rede sein. An den antisemitischen Mythen, die sie in der Vergangenheit verbreitet hat, hält sie also fest.

Kurzum: Lisa Fitz ist in der Vergangenheit nicht nur mit der Verbreitung antisemitischer Propaganda im Sinne der AfD und in nationalsozialistischer Tradition auffällig geworden, sondern verfügt auch über beste Verbindungen ins Milieu der Querfront bis in die radikale Rechte – und relativiert und instrumentalisiert das Leid der jüdischen Bevölkerung zur NS-Zeit, um sich selbst als Opfer zu inszenieren. Dass ihr weiterhin verschiedene Bühnen in München geboten werden, ist absolut inakzeptabel. Wir fordern die Veranstalter dazu auf, sie wieder auszuladen.

 

[1] https://www.lisa-fitz.de/termine/, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[2] https://www.lustspielhaus.de/kuenstler.php?p_id=4083&PHPSESSID=4447875bfe8fd230e1940d2325904261, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[3] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30751, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[4] https://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4992567/Orban_Der-Mund-gehoert-Clinton-die-Stimme-gehoert-Soros, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[5] https://www.welt.de/wirtschaft/article170804359/George-Soros-wehrt-sich-gegen-Orbans-Hetzkampagne.html, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[6] http://www.pesterlloyd.net/html/1545orbanaluhut.html, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[7] http://schlamassel.blogsport.de/2016/05/17/wie-antisemitisch-ist-die-afd-muenchen-ost/, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Rothschild#Die_Rothschilds_als_Gegenstand_von_Hetzkampagnen_und_Verschw%C3%B6rungstheorien, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Rothschilds_(1940), zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[10] https://www.psiram.com/de/index.php/Lisa_Fitz, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[11] https://www.psiram.com/de/index.php/Ken_Jebsen, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[12] https://www.psiram.com/de/index.php/Daniele_Ganser, https://www.psiram.com/de/index.php/Kai_Homilius_Verlag, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[13] https://sicherheitskonferenz.de/de/Lisa-Fitz-SIKO-18.2.2017-Stachus, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[14] https://lbga-muenchen.org/2019/07/23/zur-verleihung-des-bayerischen-verdienstordens-an-lisa-fitz/, https://lbga-muenchen.org/2018/04/25/offener-brief-an-den-schlachthof-anlaesslich-einer-veranstaltung-mit-lia-fitz/, jeweils zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

[15] https://www.lisa-fitz.de/statement-1-antisemitimus-zum-offenen-brief-des-lbga/, zuletzt aufgerufen am 15.01.2020.

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