Offener Brief an den Schlachthof anlässlich einer Veranstaltung mit Lisa Fitz

Lieber Schlachthof,
für Freitag, den 27. April, haben Sie eine Vorstellung mit Lisa Fitz unter dem Titel „Flüsterwitz“ angekündigt. Auf Ihrer Veranstaltungsseite wird erläutert, ein Flüsterwitz könne „Machthabern gefährlich“ werden und kursiere immer dann, „wenn man mit einem autoritären System haderte oder Repressalien befürchtete“. Angesichts der Person Lisa Fitz kommt uns eine weitere Assoziation in den Sinn: „Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.“
Geflüstert wird dieser Feststellung Theodor W. Adornos zufolge also nicht nur, wenn man sich mit gefährlichen Machthabern und einem autoritären System anlegt, sondern auch, wenn man sich bar jeder Realität lediglich einbildet, genau das zu tun – und die Machthaber mit Jüdinnen*Juden identifiziert. Lisa Fitz jedenfalls ist eine Person, die über Jüdinnen*Juden „flüstert“ und Gerüchte verbreitet.
Zugegeben: Im Ankündigungstext Ihrer Veranstaltungsseite findet sich kein expliziter Hinweis auf Antisemitismus. Das Geraune über die „Machthaber“ bleibt ebenso abstrakt wie über die „demokratische Diktatur der Parteien“. Wen genau meint Lisa Fitz denn? Ein Blick auf ihr Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“, den sie im Januar diesen Jahres auf Youtube veröffentlicht hat, bietet Auskunft. Darin heißt es: „Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen?/Der Schattenstaat, die Schurkenbank, der Gierkonzern, Wer nennt die Namen und die Sünden dieser feinen Herrn? Rothschilds, Rockefeller, Soros & Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten.“[1]
Reproduziert wird hier die Vorstellung einer im Hintergrund („Schattenstaat“) agierenden Weltverschwörung, die aufgrund moralischer Verkommenheit („Schurken“, „Gier“) und persönlicher Gewinnsucht („des Teufels Dollars“, ebenfalls „Gier“) für die Übel dieses Planeten verantwortlich zu machen ist („Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen?“). Soweit, so verschwörungsideologisch: Die Angabe seriöser Quellen für ihre abstrusen Behauptungen bleibt uns Frau Fitz bislang schuldig. Eine deutlich antisemitische Färbung gewinnen diese Zeilen durch die Identifizierung der „Schurken“ mit Rothschild, Rockefeller und Soros: Bei zwei von ihnen handelt es sich um Juden bzw. jüdische Familien. George Soros, ein ungarisch-amerikanischer Investor und Philanthrop, ist derzeit beliebtes Ziel antisemitischer Agitation. So betreibt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán aktuell eine umfassende Hetzkampagne gegen Soros: Er wirft ihm vor, im Hintergrund sowohl die ungarische Opposition als auch Hillary Clinton zu kontrollieren[2] sowie Europa mit Flüchtlingen zu „überschwemmen“[3], und spricht in solchen Zusammenhängen auch von einer Verschwörung zwischen Jüdinnen*Juden und Linken[4]. In München befasste sich zudem der Ortsverband Ost der AfD mit den vermeintlichen Machenschaften von Soros[5]. In dieses antisemitische, rassistische und rechtsradikale „Gruselkabarett“ reiht sich nun auch Lisa Fitz ein. Ihr Geraune von der Political Correctness, die zur „Meinungsdiktatur“ würde, fügt sich dabei wunderbar ein, macht es doch das rechtspopulistische Märchen komplett.
Während George Soros ein aktuelles Beispiel antisemitischer Agitation darstellt, beweist Lisa Fitz in ihrer Aufzählung allerdings auch Traditionsbewusstsein. Die jüdische Bankiersfamilie der Rothschilds steht seit dem 19. Jahrhundert im Zentrum antisemitischer Hetze. Ähnlich wie im Falle Soros lautete der Vorwurf, sie würden zum Zwecke der Anhäufung von Geld über Krieg und Frieden in Europa bestimmen sowie Regierungen kontrollieren[6]. Auf die „Juden der Könige“, wie sie damals genannt wurden, zielte auch der NS-Propagandafilm „Die Rothschilds“ von 1940 ab. Dieser Film wurde von Joseph Goebbels gemeinsam mit „Jud Süß“ und „Der ewige Jude“ gefördert und verbreitet[7].
Diese antisemitische Tradition führt Lisa Fitz heute Seite an Seite mit Viktor Orbán und der AfD fort, wenn sie von Machthabern und autoritären Systemen schwadroniert – kommenden Freitag vielleicht auch bei Ihnen im Schlachthof. Wir bitten Sie also darum, den Auftritt abzusagen und in Zukunft antisemitischen Agitator*innen keine Plattform mehr zu bieten.
 
Mit freundlichen Grüßen,
das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München

 

 

 

 

 

 

 

Echo

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