Stellungnahme zu unserer für den 18. April 2024 geplanten Veranstaltung mit Oliver Vrankovic

Anlässlich der Forderung der beiden Münchner Gruppen „Antifa Stammtisch München“ und „In Aktion gegen Krieg und Militarisierung“ (AKM), unsere für den 18. April im DGB-Haus geplante Veranstaltung „Israelische Realitäten seit dem 7/10“ mit dem israelischen Aktivisten Oliver Vrankovic aufgrund von drei von ihm stammenden Facebook-Posts abzusagen[1], möchten wir hier unsere Sichtweise darlegen. Zuallererst: Eine Absage kommt nicht infrage. Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit Vrankovic, der sich aktuell von antizionistischer wie auch rechter Seite zahlreichen Angriffen ausgesetzt sieht. Man kann von seinen Posts halten, was man will: Weder sind sie menschenverachtend noch rassistisch noch verteidigen sie irgendwelche Kriegsverbrechen. Im Einzelnen:

1.)   Zum Post vom 10. April 2024: Es stimmt, wie es im Statement von AKM und Stammtisch heißt, dass sich die politische Linke seit jeher gegen Krieg und Ausrüstung stark macht – und das auch völlig zu Recht. Das Statement nutzt dieses Faktum aber als Floskel, um den Unterschied zwischen Aggression und Selbstverteidigung zu verwischen, der der Linken ebenfalls seit jeher bekannt ist. Auch im gegenwärtigen Krieg gibt es einen Aggressor (Hamas) und einen Verteidiger (Israel): Es ist das erklärte Ziel der aktuellen israelischen Notstandsregierung, die übrigens auch die Opposition umfasst, die Hamas handlungsunfähig zu machen. Angesichts des Vorhabens der Hamas, Jüdinnen*Juden vernichten zu wollen, und angesichts ihrer seit Jahren laufenden Versuche, dieses Vorhaben zu erreichen, die mit dem Pogrom am 7. Oktober kulminierten, unterstützen wir dieses Ziel des jüdischen Staates, seine Bürger*innen zu verteidigen und zu beschützen. Denn wenn die Hamas nicht handlungsunfähig gemacht wird, wird sie ihre Vernichtungsbestrebungen immer und immer wieder in die Tat umzusetzen versuchen. Wir halten daher Oliver Vrankovic nicht für einen „Kriegstreiber“, wie es im Statement heißt, sondern für einen Aktivisten, der für das Selbstverteidigungsrecht eines von Antisemit*innen attackierten jüdischen Schutzraums eintritt – eine Position, die genauso links ist wie jene gegen militärische Aggressionen. Vor dem Hintergrund erscheinen die anderen im Statement beanstandeten Äußerungen von Vrankovic als das, was sie sind: Meinungen und Ansichten, über die man geteilter Meinung sein und gerne auch kontrovers diskutieren kann.

2.)   Zum Post vom 7. Dezember 2023: Das Statement von AKM und Antifa-Stammtisch setzt hier auf ein Strohmann-Argument: Denn nirgendwo setzt Vrankovic die „palästinensische Bevölkerung als Ganze[s] mit der Hamas“ gleich. Und wo genau er „rassistische Äußerungen“ teilt, bleibt uns auch schleierhaft. Man mag es geschmacklos finden, wie Vrankovic Bilder von entkleideten palästinensischen Gefangenen höhnisch kommentiert, sollte aber auch den Kontext dieser Bilder nicht vergessen, der im Statement verzerrt wiedergegeben wird. Bei den Gefangenen handelt es sich um palästinensische Kombattant*innen, also Kriegsbeteiligte, die ausgezogen wurden, um sie auf Waffen und Sprengstoffe zu prüfen.[2] Das Statement behauptet nun mit Verweis auf einen Reuters-Artikel, dass auch Minderjährige unter den Gefangenen gewesen wären und dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) den Vorfall „als Kriegsverbrechen bezeichnet“ hat. Tatsächlich findet sich im Reuters-Artikel keine derartige Bewertung des IKRK, sondern die Mahnung in Richtung IDF, dass „all detainees must be treated with humanity and dignity in accordance with international humanitarian law“. Im Artikel gibt es nur eine Person, die den Vorfall als „heinous crime against innocent civilians“ bezeichnet hat: Izzat El-Reshiq, Mitglied des Politbüros der Hamas. Das IKRK, das übrigens aufgrund einer einseitig propalästinensischen Parteinahme ohnehin in der Kritik steht[3], wird von AKM und Antifa-Stammtisch also vorgeschoben, um Hamas-Propaganda teilen zu können. Von Minderjährigen ist keine Rede im Artikel und wir haben auch sonst online nichts dazu finden können; aber selbst wenn wir etwas übersehen haben sollten, ist zu berücksichtigen, dass die Hamas gezielt auch Minderjährige rekrutiert und militärisch ausbildet[4], mithin auch Minderjährige zu palästinensischen Kombattant*innen werden können. Wie so oft wäre auch hier die Kritik zunächst an die Hamas zu richten.

3.)   Zum Post vom 8. Dezember 2023: Auch hier bedient sich das Statement mehrerer Strohmänner. Es geht um ein Bild, das den zerstörten Palestine Square in Gaza City mit israelischer Fahne im Zentrum zeigt, das Vrankovic mit „The beauty of Palestina“ kommentiert. Es handelt sich um eine ironische Anspielung auf die antizionistische Facebookseite „Beauty of Palestine“, die israelische Orte wie Jerusalem oder Tel Aviv zeigt und sie als palästinensisch framet.[5] Die Stoßrichtung dieser Seite ist klar: Der jüdische Staat soll von der Landkarte gefegt werden, um Palästina Platz zu machen. Auf den Zynismus dieser Seite nimmt Vrankovic mit seinem Post Bezug. Auch hier kann man sich darüber streiten, wie geschmackvoll das ist, aber definitiv „befürwortet“ er keine „totale Delegitimation und Annexion Palästinas durch die rechte Regierung Israels“. Eine Annexion der palästinensischen Gebiete steht außerhalb der extremen Rechten Israels nirgendwo zur Debatte und wurde auch von Vrankovic zu keinem Zeitpunkt gefordert.

AKM und der Antifa-Stammtisch argumentieren also auf manipulative Weise mit sachlich falschen und/oder verzerrenden Behauptungen und Strohmann-Argumenten, um unseren Referenten als rechten Hardliner darzustellen, der er nicht ist. Wer sich seine Facebook-Pinnwand genauer ansieht und seinen Aktivismus generell kennt, weiß, dass er eine linke Position vertritt, regelmäßig die Regierung Netanjahu scharf kritisiert sowie sich im deutschen Kontext gegen die AfD deutlich positioniert und darauf verweist, dass die von manchen (!) AfD-Funktionär*innen geäußerte „Israelsolidarität“ angesichts des ausgeprägten Antisemitismus dieser Partei völlig unglaubwürdig ist. Dafür wird er übrigens nicht nur von linken Antizionist*innen, sondern auch von rechten Prozionist*innen in Deutschland wie in Israel massiv angefeindet.[6]

Wir haben Oliver Vrankovic eingeladen, weil er in Israel lebt und die Auswirkungen des größten antisemitischen Massenmords seit Ende der Shoa am 7. Oktober 2023 vor Ort miterlebt. Wir haben ihn eingeladen, darüber zu berichten, wie er die Situation für die jüdischen und arabischen Menschen, die komplexe politische Lage in Israel und die weitere Entwicklung des Konflikts mit der Hamas einschätzt – und das aus einer dezidiert linken Perspektive. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet Gruppen wie AKM sich dazu aufschwingen, eine Veranstaltung von Linken mit Linken durch Vorwürfe von Rassismus und Menschenfeindlichkeit verhindern zu wollen. Vergessen wir nicht: AKM hat mehrfach (!) an Demos von Palästina Spricht teilgenommen[7], einer Initiative, die den 7. Oktober als „revolutionäre[n] Tag, auf den man stolz sein muss“[8] zelebriert hat. Mit solchen Aussagen machen sich all jene antiimperialistischen Aktivist*innen gemein, die sich an den Demos dieser Organisation beteiligen. Und dass ausgerechnet AKM sich als antimilitaristische Stimme aufführt, obwohl die Gruppe bewaffneten palästinensischen „Widerstand“ für ein „legitimes Mittel“ hält, ist die Krönung ihrer Heuchelei.[7] In aller Deutlichkeit: AKM zelebriert den Massenmord an rund 1200 vornehmlich jüdischen Zivilist*innen, die vergewaltigt, verstümmelt und ermordet wurden, einfach nur weil sie Jüdinnen*Juden waren oder weil sie für welche gehalten wurden. Sie sind in keiner Position, den moralischen Zeigefinger zu erheben, schon gar nicht gegen israelische Linke.

[1] https://www.instagram.com/p/C5wj93vsoMP/?igsh=MXZhMHg1emVwNXR2YQ%3D%3D&img_index=5, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[2] https://www.deutschlandfunk.de/fotos-gaza-halbnackte-gefangene-100.html, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[3] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/ngo-klage-ikrk-100.html, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[4] https://www.merkur.de/politik/organisation-hamas-israel-gaza-kinder-camps-palaestina-konflikt-krieg-terror-92639948.htmlhttps://embassies.gov.il/berlin/NewsAndEvents/Pages/Die-ISA-vereitelt-den-Versuch-der-Hamas,-Minderjaehrige-f%C3%BCr-Terroranschlaege-zu-rekrutieren.aspx, jeweils zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[5] https://www.facebook.com/BeautyOfPalestine/, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[6] Beispielsweise folgende Sammel-Mail des ehemaligen Achse-des-Guten-Gastautors Benjamin Weinthal:

Dazu dass er einst Gastautor bei AchGut war s. https://web.archive.org/web/20231201003609/https://www.achgut.com/autor/weinthal, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024.

[7] https://lbga-muenchen.org/2023/11/21/4491/, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

[8] https://taz.de/Thunberg-unterstuetzt-Palaestinenser/!5967725/, zuletzt aufgerufen am 15.04.2024

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