Die Demo „Macht Frieden“ am 17.02.2024 in München: Eine Dokumentation

Am 17. Februar 2024 fand in München die Demonstration „Macht Frieden“ statt, die sich gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz richtete und an der sich laut Polizeiangaben etwa 2.000 Personen beteiligt haben sollen[1]. Wie bereits im letzten Jahr handelt es sich um eine Demonstration, die formal unabhängig von jener des traditionellen Anti-Siko-Bündnisses organisiert wurde. Stattdessen wurde sie von einem Bündnis „Macht Frieden“ auf die Beine gestellt, zu der u. a. die Querdenken-Gruppe „München steht auf“ zählt.[2] Dennoch existieren Querverbindungen: So zählte der deutsche Friedensaktivist Reiner Braun zu den offiziellen Unterstützer*innen des klassischen Anti-Siko-Bündnisses[3], hielt aber auf der Querdenken-Demo zugleich eine Rede. Zur klassischen Demo ist nicht viel zu sagen: Sie lief ab wie immer, unter Beteiligung von den üblichen Gruppen und Initiativen und mit den sattsam bekannten antiamerikanischen, antizionistischen und friedensbewegten Inhalten.[4] Interessanter ist die Frage, wie sich das verschwörungsideologische Milieu angesichts der antisemitischen Eskalation seit dem Pogrom des 7. Oktobers verhalten würde. Bereits am 16. Dezember beteiligte sich die Freie Linke an einer Demonstration von Palästina Spricht München, worüber wir berichtet haben.[5] Wie verhält es sich nun umgekehrt, wenn das verschwörungsideologische Spektrum selbst eine Demo organisiert?

In den meisten Reden ging es um den aktuellen Ukrainekrieg. Bisweilen wurden aber auch andere Schwerpunkte gesetzt. Neben Braun hielt auch der ehemalige Linken-MdB Dieter Dehm eine Rede, der offen zur Bildung einer Querfront aus Rechten und Linken aufrief und sich im Rahmen eines selbstverfassten Gedichts über die aktuellen Demos gegen die AfD belustigte und deren Teilnehmer*innen unterstellte, AfD-Mitglieder „töten“ zu wollen – oder mit anderen Worten: Er nahm die AfD ausdrücklich in Schutz gegen ihre Kritiker*innen. Ähnlich haarsträubend war die Rede des Publizisten und ehemaligen CDU-MdB Jürgen Todenhöfer, der davon sprach, dass „das Leiden der Palästinenser […] so unbeschreiblich“ sei, ohne das Massaker der Hamas auch nur eines Wortes zu würdigen. „Liebe Palästinenser, euer Schmerz ist auch unser Schmerz“, rief er pathetisch aus, und ergänzte: „Erst wenn ihr frei seid, erst wenn ihr wie Menschen behandelt werdet und nicht mehr wie Tiere, dann haben wir Deutsche unsere Vergangenheit wirklich bewältigt. Es kann nicht sein, dass Palästina einen Großteil unserer Schuld jetzt abbezahlen muss. Der große Preisträger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, diese Woche verstorben, der deutsch-jüdische, deutsch-französische Politologe Alfred Grosser hat gesagt: ‚Wer Hitler wirklich abschütteln will, muss heute die Palästinenser unterstützen!‘ […] Und die Tatsache, dass die Bundesregierung im Gegenteil die Kriegsverbrechen Israels uneingeschränkt unterstützt, mit Waffen unterstützt, dass sie die Rüstungsexporte an Israel seit Kriegsbeginn verzehnfacht hat, ist ein Skandal, ist ein militaristischer Skandal! Was in Gaza mit deutscher Unterstützung geschieht […], widerspricht allen Regeln der Menschlichkeit. Da werden die Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen, Flüchtlingslager bombardiert, da werden Kinder zu Tausenden gemordet und unsere Regierung leistet uneingeschränkt Unterstützung! Das ist doch unglaublich! Das hat doch mit der berechtigten Selbstverteidigung Israels nichts zu tun! Das ist Massenmord an Kindern! Das ist Beihilfe zu Kriegsverbrechen! Wir fordern unseren Partner, unseren selbstgewählten Freund Israel daher auf: 1. Behandelt die Palästinenser wie Menschen. Ein Palästinenser ist genauso viel wert wie ein Israeli! 2. Stoppt diesen kriminellen Krieg! 3. Gebt den Palästinensern die 1967 besetzten Gebiete, gebt ihnen Gaza, gebt ihnen das Westjordanland und gebt ihnen Ostjerusalem wieder zurück! Diese Gebiete gehören den Palästinensern und nicht den Israelis. Und von der deutschen Bundesregierung fordern wir […]: Stoppt sofort alle Rüstungs- und Waffenlieferungen an Israel! Diese Rüstungshilfe ist Beihilfe zum Kriegsverbrechen! Und die ist nach Paragraph 8 und Paragraph 11 des Völkerstrafgesetzbuches mit Gefängnis zu bestrafen! […] Deswegen habe ich heute Strafanzeige beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen diese Bundesregierung wegen Beihilfe zum Kriegsverbrechen erstattet! […] Ich will, dass die Mitverantwortung der Bundesregierung für die Verbrechen Netanjahus – ich sage bewusst ‚Netanjahu‘, weil nicht alle Israelis das billigen – dass diese Mitverantwortung gerichtlich geklärt und festgehalten wird und dass deutlich wird, dass Politiker nicht alles dürfen! […] Wir fordern von der Bundesregierung ferner, dass sie endlich ihre peinliche Unterwürfigkeit gegenüber Amerika und Israel beendet! […] Und noch eine letzte wichtige Forderung an die deutsche Regierung: Gebt der deutschen Bevölkerung ihre Meinungsfreiheit zurück! […] Herr Scholz, Frau Baerbock, Herr Habeck und auch Herr Merz, der genauso schlimm ist: Wir lassen euch von uns von euch [sic!] nicht länger den Mund verbieten, wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir denken dürfen, was wir sagen dürfen! Haltet euch endlich an das Grundgesetz, das Meinungsfreiheit fordert und Zensur verbietet! Eure Zensur ist verfassungswidrig! […] Liebe Freunde, ein letzter Satz: Wir müssen unser Land bald von dieser Regierung befreien. Krieg treibt unser Land nicht nur ins Unglück, sondern auch in die Schande. Der Teufel soll diese Regierung holen! Und Herrn Netanjahu kann er dabei gleich mitnehmen.“[6]

Für diese Worte empfing Todenhöfer aus dem Querdenken-Publikum regelmäßig bisweilen begeisterten Applaus. Israel wird hier massiv dämonisiert: Nicht nur würde der jüdische Staat Kriegsverbrechen begehen, sondern einen „Massenmord an Kindern“ begehen; der Spruch „Kindermörder Israel“ zählt zu den klassischen Parolen antizionistischer Demonstrationen und knüpft an die bis ins Mittelalter zurückgehende antisemitische Vorstellung jüdischer Ritualmorde an Kinder an.[7] Auch suggerieren Todenhöfers Forderungen an Israel, den Krieg zu beenden und die besetzten Gebiete zurückzugeben, dass der ganze Nahost-Konflikt ausschließlich von Israel zu verantworten sei: Von der Hamas, vom Massaker, von den Versuchen arabischer Länder 1967 und zu anderen Gelegenheiten, Israel auszulöschen, kein Wort; zudem keine Forderung an die Hamas, die israelischen Geiseln freizulassen und sich zu ergeben. Der einzige Verantwortliche und der einzige (Kinder-)Mörder im Nahostkonflikt ist laut Todenhöfer – und laut der ihm applaudierenden Querdenken-Bewegung – Israel. Die Hamas spricht er damit implizit frei. Dabei stilisiert er das Leid der palästinensischen Bevölkerung als Folge der historischen Schuld des Nationalsozialismus, also der Shoa: Die Lehre aus dem Zivilisationsbruch wäre nicht etwa, Jüdinnen*Juden weltweit zu beschützen, sondern im Gegenteil die Welt vor ihnen zu beschützen. Im Grunde genommen ist das Täter-Opfer-Umkehr und unserer Auffassung nach Ausdruck eines sekundären Antisemitismus. Alfred Grosser selbst ist übrigens nicht unproblematisch, da er häufig von einer „Auschwitz-Keule“ sprach, die die Kritik an der israelischen Politik in Deutschland verunmögliche, und er sich positiv über Martin Walsers Paulkirchenrede äußerte.[8] Walser, der ebenfalls den Friedenspreis des deutschen Buchhandels empfing, hielt bei der Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche 1999 eine Rede, in der er eine angebliche Instrumentalisierung des Auschwitz-Gedenkens zu politischen Zwecken beklagte. An diese geschichtsrevisionistische Tradition knüpft nun auch Todenhöfer an.

Todenhöfer blieb nicht der einzige Redner, der den Nahostkonflikt thematisierte. Auch die Moderatorin Mona Aranea, Vorsitzende des Stadtverbandes Mönchengladbach der Querdenken-Partei Die Basis und ehemaliges Grünen-Mitglied[9], ließ während des Demo-Zugs aus den Lautsprechern verlauten: „Wir sind nicht einverstanden mit deutschen Waffenlieferungen an Israel und der deutschen Verharmlosung und Relativierung des israelischen Völkermords an den Menschen in Gaza. Wir stehen ein für das Recht auf Leben aller Kinder, auch muslimischer Kinder, auch der Kinder in Gaza! Sie sind keine menschlichen Schutzschilde, sie sind keine Kollateralschäden! Jedes Kind, das mit Waffengewalt zu Tode kommt, wird ermordet! Stoppt das Morden in Gaza! Schluss mit den deutschen Waffenlieferungen an Israel!“[6] Wie Todenhöfer bezichtigt auch Aranea Israel des Kindermordes und greift damit ein klassisches antizionistisches Motiv mit antisemitischem Hintergrund auf. Mit der faktenwidrigen Behauptung, dass Kinder durch die Hamas nicht als Schutzschilde missbraucht würden[10] und ihr Leid kein „Kollateralschaden“ wäre, legt sie nahe, dass Israel gezielt palästinensische Kinder töten würde. Damit geht sie über Todenhöfers Einlassungen sogar noch hinaus: Das Treiben der Hamas wird hier nicht nur verschwiegen, sondern sie wird von bestimmten Vorwürfen sogar ausdrücklich freigesprochen.

Auf der Abschlusskundgebung kündigte Aranea die deutsch-palästinensische Jura-Studentin Qamar Hammood „als Vertreterin der palästinensischen Sache“ an und sagte einleitend: „Und deshalb freut es mich so sehr, dass heute auch Menschen hier sind, Deutsch-Palästinenser und Vertreter muslimischer Minderheiten und mit uns gemeinsam einstehen [sic], auch und natürlich auch und vor allem [sic] für das Recht der Kinder Palästinas auf Leben. Diese Kinder haben ein Recht auf Leben und es ist ein Verbrechen, was dort passiert! Waffenstillstand sofort! Ceasefire now!“ Die nun folgende und mit einer Kufiya bekleidete Rednerin bedankt sich zunächst bei Todenhöfer für seine Reise nach Israel und Palästina, „um uns die Wahrheit in aller Transparenz zu vermitteln“. Im weiteren Verlauf der Rede nennt sie zwar das Datum des 7. Oktober 2023, lässt aber das Massaker der Hamas unerwähnt und betont stattdessen, dass es „den Nahostkonflikt seit über 75 Jahren gibt“. Sie erwähnt die Vertreibungen der palästinensischen Bevölkerung 1948, für die ausschließlich Israel verantwortlich gemacht wird, und spannt einen Bogen zur heutigen Situation, ohne die Bedrohung Israels durch arabische Nachbarn in diesem Zeitraum zu erwähnen. „In Gaza aber wäre ich jetzt tot, einfach nur weil ich Palästinenserin bin. Als unschuldige Zivilistin. […] Richtig wäre, jedes einzelne Kind, das durch die israelischen Angriffe ermordet wurde, namentlich zu erwähnen. Ich kann einfach nicht fassen, dass es mittlerweile über 11.000 Namen sind. […] Nach dem deutschen Strafgesetzbuch kann ein Notwehr-Exzess, der aus Empörung und Zorn stattfindet, eine volle strafrechtliche Konsequenz zur Folge haben. Ich denke, anders kann man die Ermordung unschuldiger Zivilisten nicht erklären. Vielleicht ist es deshalb keine Notwehr. Vielleicht ist es einfach nur Mord. Weil Notwehr eine gegenwärtige Gefahr voraussetzt. Mir zu erklären, dass Kinder oder hochschwangere Frauen eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben darstellen, ist einfach nur Schwachsinn. […] Ich kann nicht fassen, wie unsere Politiker sich positionieren und einer bedingungslosen Unterstützung Israels zugestimmt hat [sic]. […] Wisst ihr, in Augsburg hängt am Rathausplatz ein Plakat mit der Aufschrift: ‚Nie wieder ist jetzt‘. Immer wieder stelle ich mir die Frage, wieso dies nicht auch für die palästinensische Bevölkerung gilt. Haben wir nichts aus unseren Fehlern gelernt? Gleiches Lebensrecht und ‚Nie wieder ist jetzt‘ sollte nämlich für alle Völker gelten! […] Ich fordere Deutschland auf, ein Statement abzugeben, dass die Morde an die Zivilgesellschaft in Palästina aufhören müssen. Ich fordere einen Exportstillstand, ich fordere eine Friedenspolitik. […] Ich bitte euch aufrichtig, jeden Einzelnen von euch, euch stark zu machen für die Menschenrechte in Palästina und nicht zu schweigen, wenn Tausende willkürlich ermordet werden.“[5] Abschließend betritt Aranea nochmal die Bühne und erklärt in Richtung Hammoods: „Und ich gebe dir vollkommen Recht: ‚Nie wieder ist jetzt‘ und ’nie wieder‘ gilt für alle. Und dafür sind wir auch auf der Straße. Auch diese Menschen haben das Recht auf Leben.“

Der Spruch „Nie wieder“ rekurriert auf den Spruch „Nie wieder Faschismus“, der beim Schwur von Buchenwald von KZ-Häftlingen, darunter auch jüdischen, gerufen worden sein soll.[11] Zu sagen, dieser Spruch gelte auch für die palästinensische Bevölkerung, stellt Israel auf eine Stufe mit dem Nationalsozialismus und die Situation in Gaza auf eine Stufe mit KZs und der Shoa. Auch diese Form der Holocaustrelativierung ist ein klassischer antizionistischer Topos. Ansonsten schlägt Hammood in dieselbe Kerbe wie Todenhöfer und Aranea und fokussiert sich auf palästinensische Kinder, für deren Tötung sie ausschließlich Israel verantwortlich macht. Dabei leugnet sie ausdrücklich eine Gefährdung der israelischen Bevölkerung durch die Hamas, weil die getöteten Kinder keine Gefahr für Israel darstellen. Den Pogrom der Hamas, der den Krieg überhaupt erst ausgelöst hat und bei dem 1.200 jüdisch-israelische Zivilist*innen brutal vergewaltigt und/oder abgeschlachtet wurden, verschweigt sie dabei gezielt und versucht auf diese Weise, das Publikum emotional zu manipulieren.

So viel zu den Redebeiträgen. Auf dem Königsplatz, wo die Demo startete und endete, befanden sich mehrere Infostände, auf denen einschlägiges verschwörungsideologisches, christlich-fundamentalistisches und rechtsextremes Material verteilt wurde:

Zu sehen sind nicht nur Broschüren mit impfkritischen Inhalten, sondern auch solche, die den Erhalt der traditionellen heteronormativen Kleinamilie propagieren und dazu gegen die LGBTQ+-Bewegung agitieren. Das Buch „Wie der Teufel die Welt beherrscht“ wird von der rechtsextremen Zeitung „Epoch Times“ herausgegeben und führt diverse Krisenerscheinungen und soziale Bewegungen (ob LGBTQ+, Klimabewegung, Kommunismus oder sonst was) auf das Wirken Satans zurück. Und mitten drin ein Stapel Flyer von „München steht auf“. Man sollte sich keine Illusionen über die politische Verortung dieses Vereins machen.

Empfohlen wurde auf folgendem Flyer darüber hinaus der verschwörungsideologische Unternehmer und unabhängige US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Shiva Ayyadurai.

Dieser Flyer verbreitet die Verschwörungserzählung eines „Great Reset“, den politische Eliten, die „Globalisten“ – unter Beteiligung von den bekannten jüdischen US-Amerikanern George Soros und Henry Kissinger – planen würden, um mit der Inszenierung einer Pandemie oder einer Klimakrise den Mittelstand zu enteignen und die Weltherrschaft an sich zu reißen; als deren Ziel gilt eine „Neue Weltordnung“ (NWO). Der Ausdruck „Globalist“/“Globalismus“ ist übrigens eine Chiffre für eine jüdische Weltverschwörung, ebenso die NWO.[12]

Verantwortlich für den Flyer ist der rechtextreme österreichische Sender AUF1, der mit einem eigenen Wagen vor Ort war:

Die Marionettensymbolik, auch ein klassisches antisemitisches Motiv, findet sich auch auf einem Flyer, der sich gegen Rundfunkbeiträge wendet. Das ist im Kontext der grundsätzlichen Feindseligkeit der extremen Rechten gegenüber traditionellen Medien zu verstehen:

Auf einem Poster wurde außerdem erklärt, was die Welt im Innersten zusammenhält: Eine jüdische Weltverschwörung, wie aus der Beteiligung des mittlerweile verstorbenen US-amerikanisch-jüdischen Unternehmers und verurteilten Pädophilen Jeffrey Epstein und des Federal Reserve System (Fed) hervorgeht; die Fed, die US-amerikanische US-Zentralbank, gilt in verschwörungsideologischen Kreisen seit jeher als jüdisch kontrolliert[13]:

Verschwörungsideologische Inhalte finden sich auch anderweitig, so auf folgenden Plakaten, auf denen wahlweise vom „Great Reset“ „Globalismus“, „New World Order“ etc. die Rede ist, u. a. auf einem Plakat einer „Basis“-Anhängerin. Solche Inhalte implizieren eine jüdische Verschwörung und sind unserer Auffassung nach antisemitisch:

Zurück zum AUF1-Flyer: In jedem Fall demonstriert er ein durch und durch mittelständisches Selbstverständnis, wie die Ablehnung von Enteignungen und die Paranoia vor dem Verlust von Eigentum verdeutlichen. Dazu passt auch der Hashtag #unternehmerproteste, mit dem die Demo auf dem Werbeflyer für die Veranstaltung angekündigt wurde:

Dieses bürgerliche Klassenbewusstsein zeigte sich auch an anderen Stellen, so auf folgendem Plakat eines Demo-Teilnehmers, der sich anscheinend eine friedliche Welt wünscht, um ungestört Profite machen zu können:

Auch die Beteiligung protestierender Bäuer*innen auf der Demo ist als Ausdruck eines mittelständischen Aufbegehrens zu deuten. Auf folgendem Flyer werden Medien empfohlen, die u. a. die „Bauern&Unternehmensproteste“ dokumentieren:

Bei Apolut handelt es sich übrigens um die Neuauflage von KenFM, eines früheren Internetportals mit großer Reichweite, das verschwörungsideologische und bisweilen antisemitische Inhalte verbreitete. Neben AUF1 oder Apolut wurden auf der Demo aber auch linke Medien verbreitet wie die Junge Welt:

Die Leserinitiative München der Jungen Welt verteilte vor Ort sogar Flyer, die eine baldige Veranstaltung mit dem Münchner Friedensbündnis und dem Freidenkerverband München – beides Organisationen, die zur traditionellen Anti-Siko-Demo aufriefen[3] – bewerben:

Auch Anhänger*innen der DKP beteiligten sich Seite an Seite mit Rechtsextremen an der Demo:

Die politische Linke oder was man dafür hält stieß aber anscheinend nicht überall auf offene Begeisterung:

Fairerweise muss man sagen, dass hier nicht „rechts vor links“, sondern „RECHT VOR LINKS“ stand, was aber nichts an der grundsätzlichen Ablehnung der politischen Linken ändert, die hier offenbar mit der Ampelregierung identifiziert wird. Auch andere Teilnehmer*innen der Demo gehen offen mit ihrer Nähe zur extremen Rechten um:

Seit das lyrische Ich als Nazi bezeichnet wurde, ist es nicht mehr gegen Nazis, was ja nichts anderes heißt, als dass man sich mit der Bezeichnung identifizieren kann. Und auch auf dem Plakat der Dame darüber ist keine Distanzierung von Rechtsextremen erkennbar. In beiden Fällen wird zwar der Empörung über Rechtsextremismusvorwürfe Ausdruck verliehen, ohne aber zu verdeutlichen, weshalb diese nicht zutreffen sollten.

Als ein Bindeglied der Querfront hat die Freie Linke zu gelten, die seit Jahren verschwörungsideologische Inhalte durch ihre Beteiligung an Querdenken-Protesten mitträgt und sich dabei einen linken Anstrich zu verpassen versucht. Auch auf der Anti-Siko-Demo war sie zugegen:

Der rote Stern des Sozialismus Seite an Seite neben dem anarchistischen A: Offenkundig versucht die Freie Linke nicht nur, rechts und links sowie Arbeit und Kapital zu versöhnen, sondern auch Sozialismus und Anarchismus! Oder anders ausgedrückt: Die Freie Linke ist ein bürgerlicher Haufen, der mit einschlägigen Symbolen und Schlagworten, die er nicht versteht, an die tatsächliche linke Bewegung anzudocken versucht.

Ob links oder rechts oder sonst was: Gemein haben alle Teilnehmer*innen eine ausgeprägte Liebe für Russland, also wohl für Putin, wie man an folgenden Bildern sieht:

In dieser braunen Suppe aus Rechtsextremen, versprengten Linksradikalen, Russlandfans und Verschwörungsideolog*innen schwimmen nun auch unzählige Antizionist*innen, die sich wie Fische im Wasser fühlen. Erkennbar sind sie an palästinensischen Fahnen, Melonenschildern und Kufiya-Tüchern:

Die deutsch-palästinensische Rednerin.

Bisweilen war die Demo auch einfach nur eine Freakshow:

Zusammengefasst macht die Demo deutlich, dass zwischen dem verschwörungsideologischen und dem antizionistischen Milieu kein Blatt Papier passt. Das zeigt die ungebrochene Zustimmung des anwesenden Publikums zu den antizionistischen Reden Todenhöfers, Araneas und Hammoods und die hohe Beteiligung antizionistischer Aktivist*innen auf der Demo. Mehr noch: Wer antizionistisch ist, dürfte verschwörungsideologisch sein und umgekehrt. Entscheidend für diesen Zusammenschluss scheint die gemeinsame Nähe zu unserer Auffassung nach antisemitischen Vorstellungen zu sein, die vielleicht unterschiedliche ideologische, soziale und gesellschaftliche Ursachen haben, aber auf eine gemeinsame reaktionäre Bewegung hinauslaufen.

[1] https://www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressemitteilungen/062639/index.html, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024

[2] https://macht-frieden.org/, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[3] https://www.antisiko.de/antisiko-2024/unterstuetzer/, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[4] https://lbga-muenchen.org/2023/12/16/querdenken-meets-antizionismus-kurze-dokumentation-der-palastina-spricht-demo-vom-16-12-2023/, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[5] https://taz.de/Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5992803/, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024

[6] https://www.youtube.com/watch?v=QqT3zuSLZpI, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[7] https://report-antisemitism.de/documents/From_the_river_to_the_sea_-_Israelbezogener_Antisemitismus_in_Bayern_2021_-_RIAS_Bayern.pdf, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[8] https://web.archive.org/web/20101112182815/http://www.stern.de/politik/ausland/alfred-grosser-israels-politik-foerdert-antisemitismus-600037.html, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[9] https://moenchengladbach.diebasis.nrw/vorstand/, https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/moenchengladbach-ex-gruene-mona-aranea-will-in-den-bundestag_aid-58834863, jeweils zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[10] Dazu, dass sie es eben doch tut vgl. https://www.deutschlandfunk.de/eu-hamas-darf-krankenhaeuser-und-zivilisten-nicht-als-schutzschilde-missbrauchen-110.html, https://www.juedische-allgemeine.de/israel/wie-die-hamas-ihre-eigene-bevoelkerung-als-menschliche-schutzschilde-missbraucht/, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-11/krankenhaeuser-gazastreifen-hamas-zentrale-zivile-schutzschilde, jeweils zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[11] https://www.welt.de/kultur/article238803163/Deniz-Yuecel-Nie-wieder-Krieg-oder-Nie-wieder-Faschismus.html, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[12] https://www.gra.ch/bildung/glossar/globalist/, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

[13] https://www.adl.org/resources/backgrounder/jewish-control-federal-reserve-classic-antisemitic-myth, zuletzt aufgerufen am 18.02.2024.

1 Kommentar zu „Die Demo „Macht Frieden“ am 17.02.2024 in München: Eine Dokumentation

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