Zur Demo der Corona-Rebell*innen auf der Theresienwiese am 12. September: Kommentierte Bilderstrecke

Am 12. September organisierten die Corona-Rebell*innen eine weitere Demonstration. Zunächst in der Münchner Innenstadt, wo sie etwa 3000 Personen versammelte, allerdings von der Polizei aufgelöst wurde – und anschließend auf der Theresienwiese, wo sich 10000 Menschen einfanden.[0] Damit dürfte es sich um die größte rechtsextreme Mobilisierung in München seit dem Ende des Nationalsozialismus handeln. Allerdings gab es auch breiten Gegenprotest, der von einem Bündnis aus rund 50 Organisationen getragen wurde, zu denen auch wir uns dazu zählen dürfen. Im Folgenden möchten wir einige Aufnahmen präsentieren und kommentieren, die wir von den „Rebell*innen“ gestern gemacht haben, um Milieu und Ideologie dieser Bewegung genauer zu bestimmen.

Auf folgendem Bild findet sich eine eindeutig positive Bezugnahme auf den Begriff „Nazi“, der aufgelöst wird als „Nicht Allem Zustimmen -> Informieren“. Von den Teilnehmenden störte sich niemand an der affirmativen Umdeutung des Nazi-Begriffs. Daher darf man sie wohl selbst ab sofort ohne Not als „Nazis“ bezeichnen.

Faschistische Ästhetik findet sich auch auf folgendem T-Shirt der Band Nachtmahr. Diese distanziert sich zwar immer mal wieder vom Rechtsextremismus, was nicht unbedingt für ihre Fans gelten muss.[1]

Zu diesem Befund passt auch folgendes Plakat. Der Begriff „Volksverräter“ entstammt dem rechtsextremen Jargon und wurde bereits im Nationalsozialismus verwendet, um damit politische Gegner zu diffamieren. In den vergangenen Jahren erlebte der Begriff vor allem durch AfD und PEGIDA eine Wiederbelebung.[2]

Imperiale Symbolik findet sich darüber hinaus auf diesem Plakat. Zu sehen ist die Reichsflagge, die zwischen 1933 und 1935 auch Nationalflagge des Dritten Reiches war, zwischen den Fahnen Russlands und der USA, unterschrieben mit „Friedensvertrag“ in allen drei Sprachen. Angespielt wird damit auf die in rechtsextremen Kreisen gängige Vorstellung, es hätte nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Friedensvertrag gegeben (der 2+4-Vertrag von 1990, der als solcher fungiert, wird dabei großzügig ignoriert). Zum Ausdruck gebracht wird hier folglich der revisionistische Wunsch nach der Wiederherstellung des Deutschen Reiches.

Zu diesen Personen gesellen sich welche, die sich durch ihre T-Shirts als Anhänger*innen der antisemitischen Verschwörungstheorien von QAnon zu erkennen geben – stets martialisch mit Adler und soldatischen Begrifflichkeiten.

Der Begriff „Great Awakening“, der eigentlich protestantische Erweckungsbegegnungen bezeichnet, firmiert als Selbstausdruck der QAnon-Bewegung.[3] Deutlich wird hierdurch die Verbindung zwischen Verschwörungsideologien und christlichem Fundamenalismus. Darauf werden wir später nochmal zurückkommen.

Apropos Antisemitismus: Auf mehreren T-Shirts und Plakaten wird vor der „New World Order“ (NWO) gewarnt, einem klassischen antisemitischen Code aus der extremen Rechten. Diese versteht darunter den Plan einer jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischen Weltverschwörung, eine neue Weltordnung auf Kosten der Völker bzw. des deutschen Volkes zu errichten. Bisweilen wird das mit anderen Verschwörungstheorien wie 5G, die Bargeldabschaffung oder QAnon kombiniert.

Die 5G-Verschwörungstheorie findet sich häufiger. Verstanden wird darunter die Vorstellung, das 5G-Mobilfunknetz würde durch Strahlung Covid-19 und andere Krankheiten auslösen.[4] Auf dem folgenden Plakat wird auch das Artensterben auf 5G zurückgeführt – was eine Nähe zur Umweltbewegung suggeriert.

Auch Impfgegner glauben an die 5G-Bewegung.

Andere Impfgegner*innen wittern Verschwörungen zu Profitzwecken.

Als maßgeblichen Drahtzieher hinter all diesen Verschwörungen vermuten die Rebell*innen Bill Gates, wie auch auf folgenden Plakaten ersichtlich wird.

Wer auf obigem Bild mit den „anderen“ neben Gates gemeint ist, bleibt zwar offen, doch liefert dieses Plakat einen Hinweis: Bilderberger und Freimaurer. Letztere werden seit dem 19. Jahrhundert immer wieder auch im Zusammenhang mit einer jüdischen Weltverschwörung genannt. Bei den Bilderbergern handelt es sich um Vertreter aus Wirtschaft und Politik, die sich unregelmäßig unter Verschwiegenheit treffen. Die Verschwörungstheorien um diese nehmen häufig auch offen antisemitische Ausmaße an.[5]

Woher beziehen die Corona-Rebell*innen all diese bisweilen uralten Verschwörungsvorstellungen? Vermutlich von jenen Protagonisten „alternativer“ Medien, die sie auf manchen Plakaten auch empfehlen, wie Ken Jebsen oder Heiko Schrang.

Apropos Schrang: Erneut in großer Zahl unterwegs waren seine Anhänger*innen, die an den T-Shirts zu erkennen waren, die sie aus seinem Shop bestellt haben dürften. Auf verschiedenen Medien verbreitet Schrang allerhand Verschwörungsideologie, Antisemitismus und Rassismus.[6] Er darf folglich als ein maßgeblicher Ideologe der Corona-Rebell*innen gelten.

Während Schrang bekennender Buddhist ist, nehmen andere Teilnehmer*innen Bezug auf christlichen Fundamentalismus, wie aus folgenden Plakaten hervorgeht.

Hier wird zudem Franz Josef Strauß gegen heutige Protagonist*innen der CDU/CSU in Stellung gebracht – mit einem zutiefst christlich-fundamentalistischen Zitat.

Auf einigen Bildern war schon vom Friedensvertrag die Rede oder davon, „Kriegstreiber“ wie Defender Europe 20 zu „stoppen“. Solche Haltungen ziehen auch die Friedensbewegung an, wie aus folgenden Bildern hervorgeht.

Mit der Friedensbewegung begibt man sich in die Abgründe des linksalternativen und linksbürgerlichen Milieus. Neben Rechtsextremen, Verschwörungsideolog*innen, Esoteriker*innen und christlichen Fundamentalist*innen handelt es sich um ein weiteres Milieu, aus dem sich die Corona-Rebell*innen maßgeblich rekrutieren. Auf folgendem Plakat wird der Slogan der feministischen Pro-Choice-Bewegung instrumentalisiert – wohlbemerkt von einem Mann.

Auch der Slogan der von Jugendlichen getragenen Fridays-For-Future-Bewegung wird instrumentalisiert – von einem „Opa“.

Und auch die Pride Flag der LGBT+-Bewegung findet Verwendung.

Die Guy-Fawkes-Masken suggerieren eine Nähe zur Anonymous-Bewegung, die einen aufklärerischen und humanistischen Anspruch verfolgt.

Auch Anhänger*innen von Sahra Wagenknechts Projekt „aufstehen“ finden hier ihren Platz. Wohlbemerkt handelte es sich dabei um einen Versuch, eine überparteiliche linke Bewegung auf die Beine zu stellen – wenn auch mit einem deutlich nationalistischen und flüchtlingsfeindlichen Anstrich. Die Berührungspunkte zu rechten Bewegungen wurden von Anfang an an aufstehen kritisiert.[7]

Apropos Parteienlandschaft: Vertreten war auch „die basis“, die als Partei aus Widerstand2020 hervorgegangen ist, sich als parteipolitische Vertretung der Corona-Rebell*innen versteht und sich ein linksliberales Image gibt.

Zwar besitzen all diese Bauchlinken keine Berührungsängste zur extremen Rechten – allerdings zur radikalen Linken. Immer wieder muss die DDR als dystopisches Modell herhalten. Man darf das getrost als Antikommunismus bezeichnen.

Die Ablehnung der DDR ist hier etwas subtiler formuliert: Die Jahreszahlen 1953 und 1989 beziehen sich auf den „Volksaufstand“ vom 17. Juni und auf die „friedliche Revolution“, die sich beide gegen das DDR-Regime richteten. Damit stellen sich die Corona-Rebell*innen in eine Tradition patriotischer, liberaler und antisozialistischer Bewegungen. Die beiden Q’s, zu denen die Nullen der Zahl „2020“ stilisiert wurden, verweisen auf die QAnon-Anhängerschaft der Plakat-Träger*innen.

Schließlich wendet man sich auch gegen zeitgenössische Vertreter*innen des linksradikalen Spektrums. Auch in Sprechchören wandten sich die „Rebell*innen“ gegen antifaschistische Gegendemonstrant*innen – bizarrerweise riefen sie dabei „Nazis raus“.

Auch China wird zur Zielscheibe der „Rebell*innen“.

Ökonomische Bedenken finden sich auch anderweitig und entlarven den zutiefst kleinbürgerlichen Charakter der Bewegung, wenn dem Erhalt des Mittelstands größere Prioritäten als der Gesundheit und dem Überleben der Mitmenschen eingeräumt werden.

Der kleinbürgerliche Charakter wird auch in der durchgehenden Affirmation von Polizei und Biergärten deutlich. „IM Erika“ ist der angebliche Spitzel-Name Angela Merkels als Stasi-Angentin – eine Verschwörungstheorie, die in rechten Kreisen zirkuliert.[9] Hier fließen folglich die Ablehnung von Merkel und der DDR zusammen

Auch die Israel-Flagge wird zweckentfremdet. Wir vermuten Anhänger*innen von rechtsextremen Medien wie PI-News oder Achse des Guten, die prozionistisch sind, allerdings ins gleiche Horn wie die Corona-Rebell*innen blasen.

Abschließend: Herzlich willkommen im post-ironischen Zeitalter.

[0] https://www.br.de/nachrichten/bayern/muenchner-corona-demo-kaum-masken-keine-reichsflaggen,SAOwLk7, zuletzt aufgerufen am 05.11.2020.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nachtmahr_(Band), zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Volksverrat, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/QAnon, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[4] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/5g-corona-mobilfunk-101.html, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[5] https://www.vice.com/de/article/qbmy9v/bilderberg-in-dresden-die-weltregierung-gegen, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[6] https://www.psiram.com/de/index.php/Heiko_Schrang, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstehen, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[8] https://diebasis-partei.de/, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

[9] https://hubertus-knabe.de/auf-den-spuren-von-im-erika/, zuletzt aufgerufen am 13.09.2020.

1 Kommentar zu „Zur Demo der Corona-Rebell*innen auf der Theresienwiese am 12. September: Kommentierte Bilderstrecke

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