Offener Brief an die Stadthalle Erding

Sehr geehrte Damen und Herren,

für den 21. Dezember 2019 ist in Ihrer Stadthalle in Erding eine Konferenz mit dem Titel „Für den Frieden“ angekündigt, die von der Initiative Friedensweg organisiert wird. Trotz des vermeintlich pazifistischen und humanistischen Anstrichs verbirgt sich hinter dem Organisator und den geladenen Gästen ein zutiefst antisemitisches und rechtsradikales Milieu, das von Frieden spricht, aber Hetze meint. Gerade vor dem Hintergrund des jüngsten antisemitischen Anschlags in Halle ist eine derartige Veranstaltung, dazu in städtischen Räumen, inakzeptabel. Wir fordern Sie daher dazu auf, der Konferenz die Räume zu entziehen und damit ein Zeichen gegen Antisemitismus und für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft zu setzen.

Zur Begründung: Die Initiative Friedensweg wird vom Hambacher Kulturförderverein getragen, dessen erster Vorstand Erich Hambach ist. Aus seinem Buch „BARGELD ADE. Scheiden tut weh“ und verschiedenen Interviews mit „alternativen“ Medien geht ein Weltbild hervor, das in der Tradition des nationalsozialistischen Ökonomen Gottfried Feder steht. Beide sprechen von verschworenen, im Hintergrund agierenden Finanzeliten, die mithilfe des „Zins- und Schuldgeldsystems“ das Volk versklaven und Kriege anzetteln. Während Feder diese Finanzeliten explizit mit Jüdinnen*Juden identifiziert, lässt Hambach nach außen hin offen, wen genau er meint. Aufgrund unserer Recherche besteht allerdings Grund zur Annahme, dass auch er Jüdinnen*Juden am Werk sieht und lediglich aus strategischem Kalkül unterlässt, sie öffentlich mit den „Eliten“ zu identifizieren.

Hambach veröffentlichte nämlich sein genanntes Buch beim Osiris-Verlag. Dieser zeichnet sich auch dadurch aus, den notorischen Holocaustleugner Jan-Udo Holey (bekannt auch als „Jan van Hellsing“) zu verlegen, dessen Bücher aufgrund ihres offenen Antisemitismus in Deutschland indiziert und in der Schweiz verboten sind. Der offensichtlich antisemitische und rechtsextreme Osiris-Verlag war darüber hinaus auch auf dem „Ersten planetarischen Bewusstseinskongress“ 2017 im allgäuischen Kißlegg mit einem eigenen Stand vertreten; auch Hambach war dort anwesend. Wie aus einer Reportage des Bayerischen Fernsehens hervorgeht, wurden bei den Vorträgen hinter den verschlossenen Türen offen antisemitische und holocaustleugnende Aussagen getätigt: Beispielsweise wird behauptet, die USA hätten die Gaskammern in den Vernichtungslagern erst nach Kriegsende errichtet und tote Deutsche hineingetragen, um die Vernichtung von Jüdinnen*Juden zu inszenieren. Exakt dieses Milieu findet sich am 21. Dezember auch in der Stadthalle Erding ein.

Warum wird der Antisemitismus aber nicht offen ausgesprochen? Das hängt wohl mit den juristischen Auseinandersetzungen zusammen, die das Milieu in der Vergangenheit bereits hatte. Auf das Beispiel Holeys sind wir bereits eingegangen. Doch auch Anke Herrmann, deren Ehemann Peter für ein 30minütiges Friedensmantra zur Konferenz nach Erding eingeladen ist, wurde bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Beim „Bewusstseinskongress“ in Kißlegg wurden offen antisemitische Äußerungen daher auch in das Innere der Veranstaltungsräume verlegt, wo sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit frei getätigt wurden. Diese Strategie, um Auseinandersetzungen mit dem Rechtsstaat zu vermeiden, ist seitens der Organisator*innen und der Gäste auch hinsichtlich der Konferenz in Erding zu erwarten.

Für unsere demokratische Gesellschaft geht daher aus zwei Gründen eine Gefahr von dieser Konferenz aus: 1. Diese Konferenz, die deutschlandweit mobilisiert und 800 Teilnehmer*innen erwartet, bietet Aktivist*innen aus dem rechtsextremen Sumpf eine Möglichkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen – und das in städtischen Räumen. 2. Aufgrund der pazifistischen und humanistischen Selbstdarstellung der Konferenz besteht die Gefahr, dass auch unbescholtene Bürger*innen sich hinein verirren und durch die antisemitische und rechtsextreme Propaganda radikalisiert werden; die Organisator*innen fungieren folglich auch als Rattenfänger.

Nach dem schockierenden antisemitischen Terroranschlag in Halle vor wenigen Wochen ist es mehr denn je unerlässlich, sich als Zivilgesellschaft klar gegen jeden Antisemitismus und Rechtsextremismus zu positionieren. Wir alle sind dazu aufgerufen, für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft einzustehen – und den Antisemitismus auch dort aufzuspüren und zu bekämpfen, wo er sich als pazifistisch und humanistisch zu tarnen versucht. Wir fordern Sie daher dazu auf, sich uns anzuschließen und die Veranstaltung abzusagen.

Weitere Informationen zu Organisator*innen, Gästen und dem Milieu, dem sie entstammen, finden Sie hier: https://lbga-muenchen.org/2019/09/09/zur-fuer-den-frieden-konferenz-am-21-12-in-erding/

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München

Grüne Jugend München

Linksjugend [’solid] München

Sozialistische Jugend Deutschlands Die Falken München

Antifaschismus-Referat der LMU

Emanzipatorische Linke München

Die Linke Erding

Bündnis 90/Die Grünen OV Erding

Bündnis 90/Die Grünen KV Erding

Die PARTEI KV Erding

Bunt statt Braun Ebersberg

Offenes antifaschistisches Treffen Dorfen

Geschichtswerkstatt Dorfen

Bündnis 90/Die Grünen OV Dorfen

Le monde ou rien

deconstruct reality

Offenes Antifa-Treffen München

contre la tristesse

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