Zur öffentlichen Vorführung antisemitischer Videos durch PEGIDA München

Am Abend des 8. November 2019 kam es zu einem antisemitischen Vorfall im Rahmen einer Kundgebung der PEGIDA München in der Nähe vom DGB-Haus, wo dieses Wochenende der Antifaschistische Kongress Bayern tagt.[1] Dabei hat PEGIDA auf zwei Leinwänden mindestens zwei antisemitische und geschichtsrevisionistische Videos gezeigt. Eines davon ist auch online auf Youtube auffindbar[2], das andere nicht; allerdings verbreiten sie den gleichen volksverhetzenden Inhalt. Dieser ist im Folgenden ebenso zu skandalisieren wie das Verhalten der Polizei, die vor Ort war und nicht eingriff.

Im ersten Video sind zwei Vorträge zweier Rabbiner, Yosef tzvi ben Porat und Yosef Mizrachi, zu sehen, die die Frage nach der Ursache für Hitlers Hass auf Jüdinnen*Juden beantworten wollen. Dabei erheben sie den Anspruch, Wahrheiten zu enthüllen, die an Schulen und Universitäten nicht gelehrt werden, weil die politische Linke die Lehrpläne vorgäbe und das nicht zuließe. Porat zitiert dazu zustimmend aus Hitlers „Mein Kampf“, wonach sich Jüdinnen*Juden maßgeblich in der kommunistischen Bewegung engagiert, die Russische Revolution entfacht und dadurch 20 Millionen Menschen getötet hätten – was sie auch im Deutschen Reich geplant hätten, wogegen sich Hitler zur Wehr setzen wollte. Porat ergänzt die Zitate um Behauptungen von der angeblichen jüdischen Macht in der bolschewistischen Bewegung ebenso wie in der deutschen Medienlandschaft. Schließlich zieht Porat aus seinen Ausführungen das Fazit, Hitler hätte Jüdinnen*Juden nicht wegen ihrer Religion gehasst, sondern wegen ihrer Beteiligung an Kommunismus und Atheismus und ihrer damit einhergehenden Säkularisierung und Abwendung von der Thora.

Gleiches behauptet Porat auch von Richard Wagner: Er hätte Jüdinnen*Juden vor allem abgelehnt, weil sie versucht hätten, Deutsche zu sein – was aufgrund ihrer Unterschiede nicht möglich wäre und zur Zerstörung der deutschen Nation führen müsse. Porat stimmt Wagners Einschätzung ausdrücklich zu.

Mizrachi paraphrasiert im Wesentlichen die Aussagen Porats, von dem er in höchsten Tönen spricht, ergänzt sie aber um ein Zitat aus dem Gründungsmanifest der Hamas, laut der sich diese gegründet hätte, um Jüdinnen*Juden für ihre Untreue gegenüber Gott, ihrem Unglauben und ihren Hang zu säkularen Belangen zu bestrafen. Wie im Falle Hitlers und Wagners findet auch hier eine Affirmation der Auslassungen der Hamas statt.

Im zweiten Video, das online nicht auffindbar ist, wird in das gleiche Horn geblasen, von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung gesprochen und die Entstehung des Antisemitismus in München und bei Hitler darauf zurückgeführt. Unter anderem werden im zweiten Video Bilder verschiedener Kommunist*innen wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht oder Leo Trotzki eingeblendet, die alle als „Jude“ („Jew“) markiert werden.

Zusammengefasst wird hier ein zutiefst geschichtsrevisionistisches und antisemitisches Weltbild skizziert: Jüdinnen*Juden seien keine Deutsche und könnten es auch nicht sein – was im Grunde nichts ist als eine völkisch-nationalistische Vorstellung. Sie seien aufgrund ihrer Assimilierungsversuche, ihrer Beteiligung an der kommunistischen Bewegung und sonstigen säkularen Tendenzen selbst an der Shoa mitverantwortlich. In dieser Aussage steckt nicht nur eine Täter-Opfer-Umkehr, sondern auch die Vorstellung der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Antisemit*innen wie Richard Wagner, der Hamas und Adolf Hitler wird ausdrücklich zugestimmt, ihre Ergüsse werden zustimmend und verständnisvoll zitiert.

Dass diese Äußerungen von zwei Rabbinern getätigt werden, ändert nichts am antisemitischen Gehalt. Antisemitische Aussagen sind auch dann antisemitisch, wenn sie von Jüdinnen*Juden ausgeführt werden, und sind inhaltlich zu bewerten – ohne Rücksicht auf den Sprechort derjenigen, die sie artikulieren. Zudem ist Mizrachi in der Vergangenheit bereits mit shoarelativierenden Äußerungen aufgefallen, deretwegen ihm auch schon die Einreise ins Vereinigte Königreich verwehrt worden ist.[3] Als Sprachrohr der jüdischen Bevölkerung zu Themen wie Antisemitismus kann man ihn folglich ebenso wenig betrachten wie den von ihm so hochgelobten Porat.

Darüber hinaus ist der Kontext zu beachten, in dem dieses Video gezeigt wurde: Auf einer Kundgebung von PEGIDA München, einer Organisation, auf deren Veranstaltungen in der Vergangenheit auch schon Mitglieder rechtsradikaler und offen antisemitischer Parteien wie der NPD oder des III. Wegs teilgenommen haben[4] – einer Organisation, die mithin selbst als rechtsradikal zu bewerten ist. Und das in Nähe des DGB-Hauses, in dem der Antifaschistische Kongress Bayern tagte. Die Botschaft, die PEGIDA damit zu senden versuchte, ist eindeutig: Die politische Linke, die sich im Gewerkschaftshaus versammelt, wäre verantwortlich für die Shoa, nicht die politische Rechte – auch das ein geschichtsrevisionistischer Akt. Dass PEGIDA ein Video mit zwei Rabbinern zeigte, statt einfach selbst Hitler zustimmend zu zitieren, soll sie wohl gegen den Antisemitismusvorwurf immunisieren. Allerdings sollte man sich von diesem taktischen Kalkül nicht blenden lassen. Der Inhalt dieses Videos bleibt antisemitisch, egal wer ihn äußert.

Dass PEGIDA München ein derartiges Video auf zwei Leinwänden mitten in der Innenstadt zeigte, wäre des Skandals bereits genug. Allerdings ist auch das Verhalten der Polizei zu beanstanden, die in einiger Zahl vor Ort war und die Kundgebung beschützte. Denn für die Präsentation eines antisemitischen Videos musste PEGIDA keine Konsequenzen befürchten: Weder wurde die Präsentation selbst, noch die Kundgebung insgesamt abgebrochen. Auf das Video dezidiert angesprochen, betonte ein Polizist gar, in dem Video nichts Volksverhetzendes erkennen zu können. Am Vorabend des Gedenktags der Reichspogromnacht am 9. November und nur wenige Wochen nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle ist nicht nur die öffentliche Zurschaustellung eines solchen Videos absolut inakzeptabel, sondern auch die schulterzuckende Indifferenz der Polizei.

Wir fordern Konsequenzen gegen PEGIDA München. Die Stadt sollte der rechtsradikalen Organisation in Zukunft keine öffentlichen Auftritte mehr gestatten – und stattdessen die Polizei für Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sensibilisieren, auf dass sie in Zukunft ähnliche Vorkommnisse ohne Wenn und Aber unterbindet.

 

[1] Zum Kongress und der Kundgebung von PEGIDA: https://www.aida-archiv.de/termine/8-10-november-2019-2/, zuletzt aufgerufen am 8.11.2019.

[2] https://www.youtube.com/watch?v=4sxKRk5_O1s&feature=youtu.be, zuletzt aufgerufen am 13.02.2020.

[3] https://www.thejc.com/news/uk-news/rabbi-yosef-mizrachi-uk-speaking-tour-chose-not-to-risk-entering-uk-home-office-1.481504?fbclid=IwAR2cUWRs7EtV_Z423adlfWu6u-MTskyJIm73mqyyZbi8-HHz5qRGxBS5cq4, zuletzt aufgerufen am 8.11.2019.

[4] https://twitter.com/aida_archiv/status/846424790541963265, zuletzt aufgerufen am 8.11.2019.

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