Statement zur Bundestagswahl: Die AfD ist DIE antisemitische Partei

Die AfD ist DIE antisemitische Partei. Diese Tatsache wird noch viel zu selten gewürdigt. Vergessen wir nicht, wie die AfD entstanden ist: als ein Zweckbündnis von Neoliberalen, Nationalkonservativen, christlichen Fundamentalist*innen und ausgemachten Neonazis. Dass Nazis antisemitisch sind, bedarf keiner näheren Begründung. Dass das auf eine Partei zutrifft, die über traditionelle Nazi-Strukturen hinausgeht, sich bürgerlich gibt, in die gesellschaftliche Mitte ausgreift und sogar bei einigen Ex-Linken auf Akzeptanz stößt, schon eher.

Zwei Aspekte sind es im Wesentlichen, die den Antisemitismus der AfD ausmachen: Verschwörungsdenken und Geschichtsrevisionismus. Verschwörungsideologische Muster kreisen in aller Regel um den jüdisch-US-amerikanischen Milliardär und Shoa-Überlebenden George Soros, der für viele vermeintliche und tatsächliche Krisen verantwortlich gemacht wird. So trägt er angeblich die Schuld an den vermeintlichen „Flüchtlingsströmen“, um die deutsche „Volksgemeinschaft“ zu zerstören, oder an der Erfindung einer Pandemie, um mit wirkungslosen Impfstoffen Geschäfte zu machen. Vielfach werden ihm noch die Rothschilds zur Seite gestellt, eine jüdische Bankiersfamilie, die seit dem 19. Jahrhundert zum zentralen Feindbild der völkischen Bewegung stilisiert wurde und denen auch der Nationalsozialismus einen antisemitischen Propaganda-Film widmete. Beide, Rothschild und Soros, dienen seit jeher der Exemplifizierung verschworener Aktivitäten, derer Jüdinnen*Juden bezichtigt werden.

Die verschwörungsideologischen Inhalte begleiten die AfD seit ihrer Gründung und prädestinierten sie dazu, sich zum parlamentarischen Arm der Querdenken-Bewegung zu entwickeln. Diese hat während der Pandemie Massen auf die Straßen gebracht und dabei auch in liberalen und linken Milieus mobilisieren können. Dabei gelang es ihr, antisemitische Narrative um Soros und die Rothschilds und verwandte Verschwörungstheorien zu verbreiten und in weiten Teilen der Bevölkerung zu verankern. Die Gefahr, die von dieser Bewegung ausgeht, zeigt sich gerade in München anhand von Angriffen auf Jüdinnen*Juden wie im Mai 2020. Und die AfD ist als erklärte Partei der Impfkritiker*innen und Verschwörungsgläubigen ihre Vertretung im Bundestag.

Über den Antisemitismus der AfD kann nicht gesprochen werden, ohne auch ihren Geschichtsrevisionismus zu thematisieren. Seit Björn Höckes Dresdner Rede von 2017, in der er in Hinblick auf die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, zählt die Beseitigung des Shoa-Gedenkens zu den zentralen Zielen dieser Partei: Die Shoa soll vergessen, der Nationalsozialismus, mithin der ideologische Vorläufer der AfD, relativiert werden. Dies zeigt sich auch in Bayern: Seit 2018 sitzt die AfD im Bayerischen Landtag, im Januar 2019 haben die meisten AfD-Abgeordneten die Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag verlassen,  bei der die Shoa-Überlebende und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Münchens, Charlotte Knobloch, gesprochen hat.

Zum offenen Angriff auf historische Fakten und ihre Erinnerung passen auch die jüngsten Versuche der Partei, den Nationalsozialismus als Spielart des Kommunismus zu framen. Dabei lässt sie nicht nur die brutale Verfolgung unter den Tisch fallen, der Kommunist*innen während des Dritten Reiches ausgesetzt waren: Sie leugnet damit auch die Tatsache, dass die NSDAP ihrerzeit die Partei des Großkapitals war, so wie es heute die AfD mit ihrem stramm neoliberalen Programm zu sein versucht. Sie will vergessen machen, wie sehr kapitalistische Unternehmen von der Shoa profitierten, indem das NS-Regime Jüdinnen*Juden buchstäblich bis auf Haut und Haaren enteignete und zu Zwangsarbeit verpflichtete. Nein, der Nationalsozialismus war wie sein blaulackierter Nachahmer heute eine durch und durch kapitalistische Bewegung, die die jüdische Bevölkerung auf noch nie dagewesene Weise ausbeutete. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich AfD, Teile des Kapitals und von nationalen Befindlichkeiten getriebene Deutsche dergestalt aus der Verantwortung ziehen, indem sie eine faktengestützte Gedenkkultur beseitigen und durch haltlose Mythen ersetzen, um die Shoa wahlweise vergessen zu machen oder für ihren Kampf gegen politische Gegner*innen zu instrumentalisieren.

An der verschwörungsideologischen und geschichtsrevisionistischen Agenda der AfD, die als antisemitisch benannt werden muss, ändert auch die angebliche Israelsolidarität der Partei nichts. Von Gegner*innen und Freund*innen der AfD, von Gegner*innen und Freund*innen Israels oft angeführt, um den Antisemitismus der AfD zu bagatellisieren oder den vermeintlich faschistischen Charakter des jüdischen Staates zu unterstreichen, übersehen sie die Komplexität der Auseinandersetzungen um die sogenannte „Israelfrage“ innerhalb der AfD. Soweit Solidarität mit Israel geäußert wird, hat sie rein instrumentellen Charakter: Israel wird als Bollwerk gegen den Islam halluziniert, als gäbe es dort keine große arabische Minderheit von 20%, als befänden sich nicht in allen größeren Städten des Landes wie selbstverständlich Minarette und Moscheen – ja als herrschten in Israel nicht Zustände, die für die AfD geradezu dystopisch anmuten müssten. Und doch benutzt sie Israel immer wieder, um den angeblichen „importierten Antisemitismus“ von Flüchtlingen und Migrant*innen zu skandalisieren, als gäbe es keinen genuin deutschen Judenhass. 

Allein dieses instrumentelle Verhältnis zum jüdischen Staat sollte skeptisch stimmen, wenn die AfD sich mit ihm solidarisiert. Hinzu kommen aber immer lauter werdende Stimmen innerhalb der Partei, die diese Pseudo-Solidarität offen aufkündigen wollen und bisweilen sogar Israel zum Feindbild stilisieren. Kein Wunder: Zum einen wird das Neonazi-Lager in der AfD immer stärker. Und Neonazis mögen Jüdinnen*Juden auch dann nicht, wenn diese einen Staat im Nahen Osten gründen und bewohnen. Zum anderen sind nach wie vor starke Verbindungen zur Querdenken-Bewegung vorhanden, die sich antizionistisch positioniert und häufig mit den Hamas-Sympathisant*innen von Palästina Spricht gemeinsame Sache macht. Die AfD passt sich eben ihrer Wählerschaft an.

Apropos Flucht und Migration: Vergessen wir nicht, dass die Umsetzung der als „Remigration“ bezeichneten Deportationspläne der AfD auch jüdisches Leben in Deutschland gefährden. Rund 90% der deutsch Jüdinnen*Juden haben einen meist postsowjetischen Migrationshintergrund oder sind nach der Shoah in Deutschland als Kinder jüdischer DPs (Displaced Persons) aus Osteuropa geboren, weshalb sie von Deportationen und Abschiebungen, wie sie von der extremen Rechten geplant werden, betroffen wären. Mehr noch: Allein die Propagierung einer deutschen „Leitkultur“, die dezidiert und ausschließlich das Christentum zur religiösen Grundlage nimmt, würde bei konsequenter Umsetzung jüdisches Leben hierzulande verunmöglichen. Aus Sicht der AfD bleiben Jüdinnen*Juden eben Fremde.

Die AfD ist und bleibt also DIE antisemitische Partei in Deutschland: 

  • weil sie zahlreiche Neonazis in ihren Reihen zählt und zu entsprechenden Strukturen Verbindungen hält;
  • weil sie mit dem verschwörungsideologischen und antizionistischen Querdenken-Spektrum vernetzt ist; 
  • weil sie selbst verschwörungsideologische Inhalte teilt, die in einer Tradition stehen, der auch der Nationalsozialismus angehört; 
  • weil sie Geschichtsrevisionismus betreibt und das Andenken an die Shoa angreift, es wahlweise beseitigen oder umdeuten will, um sich und ihre ideologischen Vorgänger*innen, die die Shoa durchgeführt haben, aus der Verantwortung zu nehmen; 
  • weil sie ein instrumentelles Verhältnis zum jüdischen Staat pflegt, um rassistische Stimmung gegen Migration und Flüchtlinge betreiben zu können, wenn manche ihrer Mitglieder ihn nicht selbst beseitigen wollen; 
  • weil sie eine christlich fundierte deutsche „Leitkultur“ anstrebt, in der kein Platz für jüdisches Leben mit migrantischen Biographien besteht;
  • und weil ihre Deportationspläne auch den größten Teil der jüdischen Bevölkerung in Deutschland betreffen würden. 

Aufgabe der politischen Linken bleibt es, diesen Antisemitismus der AfD in all seiner Vielschichtigkeit zu benennen und zu attackieren – und sich mit den Jüdinnen*Juden Deutschlands zu solidarisieren.

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