Alle Jahre wieder: Das Backstage und eine rechte Band auf dem Dark Easter Metal Meeting 2024

Auf der Homepage vom Backstage wurde das Line-Up für das Dark Easter Metal Meeting 2024 angekündigt. Unter vielen unverfänglichen und durchaus empfehlenswerten Acts findet sich auch die norwegische Black-Metal-Band Taake, die für antifaschistisch Interessierte und Engagierte kein unbeschriebenes Blatt ist.[1] Das geht maßgeblich auf einen Vorfall bei einem Konzert in Essen am 20. März 2007 zurück. Dort trat das einzige feste Mitglied Ørjan Stedjeberg, besser bekannt als „Hoest“,[2] mit einem Hakenkreuz, das auf seine Brust gezeichnet war, auf die Bühne.[3] Wenige Tage und eine Menge Kritik später folgte ein Statement auf der Homepage, in der sich Hoest von nationalsozialistischem Gedankengut distanzierte, die Verwendung des Hakenkreuzes als „Provokation“ bezeichnete und bei allen um Entschuldigung bat, denen der Vorfall Probleme bereitet haben sollte – „except for the Untermensch owner of that club; you can go suck a Muslim“.[4]

Hoest mit der Swastika auf der Brust.

Genau dieser letzte Satz des Statements ist es, die gezielte Verwendung nationalsozialistischen Vokabulars, wodurch die zuvor formulierte Distanzierung völlig unglaubwürdig wird. Es ist nicht zu übersehen, dass Hoest hierbei eine doppelte Kommunikation fährt: Eine Distanzierung und Entschuldigung einerseits, um bei zukünftigen Auseinandersetzungen darauf verweisen zu können und jene ruhig zu stellen, die naiv genug sind, ihm eine solche Distanzierung abzukaufen; eine erneute Reproduktion nationalsozialistischer Symbolik andererseits, um extremen Rechten zu signalisieren, dass er doch einer von ihnen ist. Es ist diese doppelbödige Kommunikation, die der Band bis heute immer wieder Ärger einbrachte, zu Kritik an geplanten Auftritten und auch zu einigen Absagen führte. Auf Betreiben der deutschen Thrash-Metal-Band Kreator fiel ein geplanter Auftritt auf einem norwegischen Festival 2008 ins Wasser[5]; zehn Jahre später wurde die gesamte geplante Nordamerika-Tour abgesagt[6]; und dieses Jahr traf es ihre Australien-Tour[7]. Im Laufe der Jahre tat sich Hoest nämlich mit weiteren Aussagen und Symbolen hervor, die zusammen genommen wenig Zweifel an seiner politischen Gesinnung lassen: Mehrere rassistische Statements gegen Musliminnen*Muslime und nationalistische White-Power-Äußerungen („Zur Hölle mit Mohammed und den Mohammedanern“ und „Norwegen erwache“, beides Zeilen aus dem Song „Orkan“ von 2011) und das öffentliche Tragen des Eisernen Kreuzes.[8] Bei diesem Symbol handelt es sich um den bekanntesten Kriegsorden des Dritten Reiches, das noch heute in rechtsextremen Kreisen populär ist. Eine Verwendung ist nicht zwingend rechts, im Kontext einer Band, die regelmäßig mit rassistischen und nationalsozialistischen Aussagen auf sich aufmerksam macht, aber nicht anders als ein weiteres faktisches Bekenntnis zum Rechtsextremismus zu werten.[9]

Darüber hinaus verfügt die Band über Vernetzungen ins NSBM-Milieu. Als Vorband ihrer Australien-Tour war die US-amerikanische Black-Metal-Band Akhlys geplant.[7] Deren Sänger und Multiinstrumentalist Naas Alcameth spielte zuvor im NSBM-Projekt Rhune, das die Odalrune, ein weiteres Symbol aus dem historischen wie gegenwärtigen Nationalsozialismus, im Logo verwendete und einen Song mit dem nationalsozialistischen Slogan „Blut und Boden“ im Titel („For Blood and Soil“) auf einem Split-Album mit Bellum, einer anderen NSBM-Band, veröffentlichte.[10] Auch andere Bands, mit denen Taake vernetzt sind, sind nicht unproblematisch. Mehrere personelle Überschneidungen hinsichtlich Live-Line-Ups bestanden mit der mittlerweile aufgelösten Black-Metal-Band Slavia, die nicht nur zwei Eiserne Kreuze im Logo verwendete, sondern ihr Album „Strength and Vision“ von 2007 mit einem Sample des Joseph-Goebbels-Zitats „Wollt ihr den totalen Krieg?“ begann.[11] Und im Jahr 2010 tourten Taake zudem mit den beiden rechtsextremen Bands Horna und Angantyr.[12]

Zu benennen sind schlussendlich auch Hoests Aktivitäten in anderen Bands. So ist er auch Mitglied bei Death Cult, die auf ihrem 2007 erschienen Album „Cult of the Dragon“ den Song „Sieg Heil Satan“ veröffentlichten.[13] Zudem beteiligte er sich im Jahr 2010 am Album „The Murder of Jesus the Jew“ der britischen Black-Metal-Band The Meads of Asphodel. Dort trat er als Gastsänger auf dem Song „Jew Killer“ auf.[14] Der Song stammt zwar aus der Feder des Gitarristen James Tait, doch macht sich Hoest mit ihm gemein, wenn er ihn singt. Hier der vollständige Text:

Jew Killer, Zionist crusher
Jew killer, imperial blessed bastard
Jew killer, tabernacle wolf man
Jew killer, war dog of Rome
Jew killer, Semite motherf*cker
Jew killer, Sanhedrin hunter
Jew killer, Samaritan slaughterer
Jew killer, Holocaust master
Sand nigga, Pilate the rapist
Sand nigga, Pilate the murderer
Sand nigga, Pilate the god slayer
Sand nigga, Pilate the tyrant
Jew killer, a people scorned
Jew killer, scattered race
Jew killer, god made flesh
Jew killer, guilt absolved
Jew killer, Barabas lie
Jew killer, hell broth dread
Jew killer, end of days
Jew killer, earths pariahs
To persecute and steal a people’s god is the hidden shame of Catholic arrogance; the children of the resurrection are the legacy of this arrogance and it is they who shall be cursed among all others who walk in the shadows of pure hatred.[15]

Die Stoßrichtung des Textes ist bei isolierter Betrachtung schwer nachvollziehbar: Wer genau ist der Judenmörder? Ist es Pilatus und wenn ja, warum? Wird der Judenmord als etwas Positives oder Negatives gedeutet? Was hat es mit dem „sand nigga“ auf sich? Woher die Assoziationen zum Holocaust und zur „Zerstreuung“ der jüdischen „Rasse“? Ist der Text antisemitisch oder lässt er sich anders deuten, vielleicht sogar als Kritik an Antisemitismus durch eine Verurteilung des „jew killer“? Eine Annäherung an den Text ermöglicht erst seine Kontextualisierung. Der Song erschien auf dem Album mit dem Titel „The Murder of Jesus the Jew“; der Verweis auf Pilatus verdeutlicht, dass mit dem „Jew“ des Textes Jesus gemeint ist: Pilatus wird zum Judenmörder stilisiert, weil er laut Bibel für die Kreuzigung Jesu verantwortlich war. Das ist nun aber nicht etwa als eine „Richtigstellung“ gegenüber der antisemitischen Gottesmordlegende zu verstehen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Band eine dezidiert anti-christliche Agenda verfolgt und der neopaganistisch beeinflussten Black-Metal-Szene zugehört.[16] Für neopagane Kreise typisch ist die Vorstellung, das Christentum als eine „artfremde“ und letztlich „jüdische“ Religion aufzufassen, wodurch antisemitische Inhalte – obgleich sie vielfach dem christlichen Antijudaismus entstammen – ins eigene christentumsfeindliche Weltbild integriert werden können.[17] Die Betonung der jüdischen Identität Jesu im Titel drückt genau das aus: Christus war ein Jude. Das ermöglicht dann auch die weiterführenden Assoziationen im Text zum Holocaust oder zur „Zerstreuung“ der jüdischen „Rasse“. Die anti-christliche Agenda der Band lässt es daher auch geraten erscheinen, den Text als ein Loblied auf den Christusmörder Pilatus zu verstehen – und über diese Assoziation ergibt sich auch eine als Affirmation deutbare Haltung zu Holocaust und Zerstreuung. Den Ausdruck „sand nigga“ würden wir auch auf Juden beziehen, da Pilatus, wie auch im Text deutlich wird, als Römer identifiziert wird und nicht aus der „Wüste“ stammend, eine Assoziation, die eher für Religionen geläufig ist, die im Nahen Osten entstanden sind; dieser Bezug passt auch besser zur Stilisierung des Judentums als einer „Rasse“ zwei Verse später und zur generellen Vorstellung vom Christentum als einer artfremden Religion im Neopaganismus. Unserer Auffassung nach ist daher der Text eindeutig als antisemitisch zu bezeichnen. Und Hoest hat ihn eingesungen.

Die anderen Bands, die auftreten, sind unserer Auffassung nach unproblematisch. Erwähnenswert ist noch die deutsche Black-Metal-Band Nocte Obducta. Im Jahr 2004 erschien ein mittlerweile gelöschter Artikel auf Indymedia, in dem ihr rechtsextreme Bezüge unterstellt wurden, die v. a. mit Kontakten zum Neonazi-Musiker Josef Maria Klumb und einigen weiteren pauschalen Anwürfen von Verbindungen zu und gemeinsamen Konzerten mit rechten Bands begründet wurden.[18] In weiterer Folge veröffentlichte die Band ein Statement, in dem sie sich nicht nur von Klumb distanzierte, sondern auch betonte, dass engere Kontakte nie bestanden, sich dezidiert links positionierte und Beispiele eigenen antifaschistischen Engagements in der Metal-Szene lieferte.[19] Man muss nicht allen Argumenten dieses Statements zustimmen (es gibt gute Gründe, weshalb antifaschistische Akteurinnen häufig anonym agieren und ihre Gleichsetzung mit dem Rechtsextremismus ist auch völlig unterirdisch), doch ist es unserer Auffassung nach durchweg glaubwürdig – insbesondere weil die Anschuldigungen abgesehen von der Personalie Klumb auf Indymedia sehr pauschal und ohne Anführung von Belegen waren. Seitdem scheint es auch keine weitere Debatte um vermeintlich rechte Umtriebe von Nocte Obducta gegeben zu haben. Der Indymedia-Artikel liefert ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Kritik an rechten Tendenzen, Verbindungen und Ideologemen muss immer konkret sein und sie muss immer belegt sein. Der Vorfall verdeutlicht zwei Aspekte: 1. Auch antifaschistische Akteur*innen können schlampig arbeiten und sich irren. 2. Eine Band, der zu Unrecht ein rechtsextremer Charakter unterstellt wird, ist dazu in der Lage, sich glaubhaft davon zu distanzieren und die Dinge richtigzustellen. Auf Taake trifft nun keiner der beiden Aspekte zu. Es gibt viele belegte Hinweise darauf, dass es sich um eine durch und durch rechte Band handelt. Und ihre Distanzierungen sind völlig unglaubwürdig. Wir fordern daher, dass die Band vom Dark Easter Metal Meeting wieder ausgeladen wird – um eine Normalisierung des Rechtsextremismus zu verhindern.

[1] https://backstage.eu/dark-easter-metal-meeting-2024.html, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[2] Vgl. https://www.metal-archives.com/bands/Taake/370#band_tab_members, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[3] https://web.archive.org/web/20110723021405/http://lager.autisma.net/hoest_swastika.jpg, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[4] https://web.archive.org/web/20070329042528/http://taake.theblacksun.org/, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[5] https://web.archive.org/web/20080616045220/http://www.roadrunnerrecords.com/blabbermouth.Net/news.aspx?mode=Article&newsitemID=89004, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[6] https://www.metalsucks.net/2018/02/27/taakes-entire-north-american-tour-has-been-canceled/, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[7] https://www.nordisch.info/norwegen/metal-band-taake-muss-australien-tour-absagen/, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[8] https://www.metalsucks.net/2018/02/28/the-problem-with-taake-isnt-just-the-swastika-chest-paint-incident/, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[9] https://www.belltower.news/neonazis-erkennen-die-symbole-und-codes-der-rechtsextremen-szene-90089/, https://www.feierwerk.de/fileadmin/PDFs/firm/Material_Rechtsextreme_Kennzeichen_und_Symbole_August_2013.pdf, jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[10] https://twitter.com/NAZISinMETAL/status/1355607483168022535, vgl. auch https://www.metal-archives.com/artists/Naas_Alcameth/23315, https://www.metal-archives.com/albums/Bellum/Vinland_Rising/79664, jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[11] https://www.metal-archives.com/bands/Slavia/4517, https://www.youtube.com/watch?v=3DFjFy80j7k, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[12] https://unterfranken.dgb.de/schweinfurt-ist-bunt/++co++33329926-4a1e-11e4-8a41-52540023ef1a, https://linksunten.archive.indymedia.org/node/180770/index.html, https://antifa-berlin.info/news/174-horna-und-kein-ende-wieder-rechte-veranstaltungen-im-slaughterhouse-e.v., jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[13] https://www.metal-archives.com/albums/Deathcult/Cult_of_the_Dragon/163097, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[14] https://www.metal-archives.com/artists/Hoest/1770, https://www.metal-archives.com/albums/The_Meads_of_Asphodel/The_Murder_of_Jesus_the_Jew/284650, jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[15] https://www.youtube.com/watch?v=ZxEt7ai83CA, ab Minute 33:34; vgl. auch https://genius.com/The-meads-of-asphodel-jew-killer-lyrics, aber leider unvollständig, jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[16] Vgl. https://www.metal-archives.com/bands/The_Meads_of_Asphodel/3235, https://en.wikipedia.org/wiki/The_Meads_of_Asphodel, jeweils zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[17] https://www.belltower.news/neuheidentum-neopaganismus-51068/, zuletzt aufgerufen am 19.12.2023.

[18] https://web.archive.org/web/20041121170335/http://de.indymedia.org:80/2004/11/99622.shtml, zuletzt aufgerufen am 20.12.2023.

[19] http://www.metal-inside.de/frame.php?url=http://www.metal-inside.de/mi/interview/657, zuletzt aufgerufen am 20.12.2023.

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