NSBM in der Umgebung Münchens: Das „Black Metal over Bavaria“ in Olching am 28. Oktober 2023 [aktualisiert 13.09.2023]

[Update: Das Konzert wurde mittlerweile offiziell abgesagt. Wir haben den Abschnitt „Die Bands“ zudem noch um weitere Informationen ergänzt.]

[Richtigstellung: Wir haben unseren Artikel korrigiert, weil wir fälschlich behauptet haben, Forgotten Tomb hätte einen Song mit dem Titel „Hail Victory“ veröffentlicht. Tatsächlich stammt dieses Lied von Sturmkaiser, mit denen Forgotten Tomb 2005 gemeinsam auf einem Konzert der NSBM-Band Absurd spielten.]

Für Samstag, den 28. Oktober 2023, kündigte der Olchinger Veranstalter Legends Lounge (etwa 20km westlich von München) ein Black-Metal-Konzert mit den vier Bands Agasch, Runenwacht, Irae und Malphas an.[1] Mitorganisiert wird das von Northern Fog Records und Fuck Off Production. Im Folgenden erklären wir, weshalb dieses Konzert der deutschen NSBM-Szene („National Socialist Black Metal“) zuzuordnen ist.

Northern Fog Records

Bei Northern Fog Records handelt es sich um das Sublabel der Sturmglanz Black Metal Manufaktur.[2] Beide werden vom im sachsen-anhaltinischen Weißenfels ansässigen Unternehmer Janko Weber geleitet.[3] Der umtriebige Geschäftsmann verdingt sich neben dem Black Metal mit der Leitung eines Kleidungsherstellers und des Hotels Rennsteig, das der Hotelierfamilie Bachmann gehört, die ihre Räume auch schon der AfD zur Verfügung gestellt hat.[4] Dass Weber diese politische Einstellung teilt, geht aus seinem Facebook-Profil hervor: Zu seinen Likes zählt unter Anderem die Seite „Freiheit in Thüringen/Partner der AfD“.[5] Einige Posts offenbaren darüber hinaus eine Nähe zu Querdenken, wenn Weber beispielsweise dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit die fachliche Qualifikation abspricht („sog. Virologe“) oder inhaltlich vage Wutausbrüche postet, die nur aus dem Zeitpunkt der Veröffentlichung während der Pandemie 2020 sich einordnen lassen („Absoluter Skandal… Wie lange geht das noch… Wie lange lässt man sich das noch bieten?“).[6] Webers Nähe zur rechten Szene resultiert dabei eindeutig aus seinem Klassenstandpunkt als mittelständischer Unternehmer, der seine (unternehmerischen) Freiheiten u. a. durch staatliche Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie bedroht sieht. Diese Nähe zeigt sich auch in der Auswahl der Bands, die er unter die Fittiche seines Labels nimmt. Sturmglanz ist einschlägig bekannt als NSBM-Label. So wird es auf Wikipedia ebenso geführt wie auf den Seiten der Metal Archives.[7] Unter den einschlägigen Szene-Bands, die das Label unter Vertrag hatte oder hat, zählen:

– Stutthof, die nicht nur nach einem KZ benannt sind, sondern in ihren Liedern die Blut-und-Boden-Ideologie besingen, ihre Veröffentlichungen bekennenden Neonazis wie Varg Vikernes und Hendrik Möbus und der griechischen Neonazi-Partei Chrysi Avgi („Goldene Morgenröte“) widmen und sich mit ihrem Song „Krieg und Boden“ an der Compilation „Hellenic Vanguard – NSBM Weltanschauung“ beteiligt haben[8];

– Artam, die sich nach dem völkischen Siedlungsprojekt „Bund Artam“, der 1934 in die Hitlerjugend eingegliedert wurde,[9] benannten und einschlägige Songtitel wie „Heil Neuschwabenland“, „Dem Vaterland Zugute“ oder „Wahrheit durch Krieg“ im Repertoire haben[10];

– Permafrost, die auf Konzerten das antisemitische „Blutlied“ der Rechtsrock-Band Tonstörung gecovert haben[11] (mit den Textzeilen „wir Scheißen auf die Freiheit dieser Juden“ oder „Schmiert die Guillotine mit dem Judenfett“), aber auch andere Neonazi-Bands wie Landser oder Absurd, in Interviews und in ihrer Email-Adresse immer wieder die Neonazi-Codezahl 88 verwendeten (die für den achten Buchstaben des Alphabets steht, also „HH“, die Abkürzung für „Heil Hitler“), auf ihrer Homepage zu Neonazi-Seiten wie „Aryan Music“ verlinkten oder Sticker mit der Aufschrift „Vernichtet den Untermenschen“ zum Verkauf anboten; einzelne Mitglieder machen in rechten Szeneforen aus ihrer antisemitischen, rassistischen und neonazistischen Weltsicht keinen Hehl („JA ICH VEREHRE ADOLF HITLER!“)[12];

– Tronje, deren Alben und Songs einschlägige Titel haben wie „Deutschtum“, „Kamerad in Ehren“, „Deutscher Soldat“ etc.

– Wolfkrieg, die das Hakenkreuz im Bandlogo verwenden, ein Album nach dem Schriftzug am Tor des KZs Buchenwald („Jedem das Seine“) benannten und ein Tributalbum für Burzum, die Band des als Mörder verurteilten Neonazis Varg Vikernes, aufnahmen[13].

Es handelt sich also um Bands, die aus ihrer offen nationalsozialistischen und antisemitischen Gesinnung keinen Hehl machen. Janko Weber war und ist für die Vernetzung und Sichtbarmachung dieser (und anderer) Bands als Labelbetreiber von Sturmglanz maßgeblich verantwortlich. Er ist also nicht nur ein privater AfD-Sympathisant, sondern bemüht sich proaktiv um die Aufrechterhaltung und Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts.

Fuck Off Production

Hinter „Fuck Off Production“ steckt ein anonymer Szeneproduzent, der sich sonst „Zwiespalt“ nennt.[14] Seit 2022 ist er Live-Gitarrist bei der NSBM-Band Carpathian Wolves.[15] Die Band benannte sich nach dem ersten Album der polnischen Band Graveland, die für ihre offen antisemitischen und rechtsextremen Interviewaussagen bekannt ist[16], und beteiligte sich an zwei Compilations des Labels Hammerbund, das auch Platten der Band Absurd des verurteilten Mörders und bekennenden Neonazis Hendrik Möbus vertrieb[17]. Durch seine Beteiligung als Live-Gitarrist macht sich „Zwiespalt“ mit der Sache dieser Band gemein. Er selbst gab 2021 zudem dem Szene-Online-Portal Germanitas Othala ein Interview, das er mit den anerkennenden Worten „Bleibt euch treu“ beendete.[18] Da der bekennende Neonazi Dominik H. (ehemals Aktionsbund Freising)[19] für das Portal maßgeblich mitverantwortlich ist[20], darf man das als offene Sympathiebekundung für den NSBM werten – zumal das Portal keinen Hehl daraus macht, mehr sein zu wollen als ein bloßes Fanzine: Im Selbstverständnis wird in typisch rechtsextremem Jargon gegen Political Correctness, „linksversiffte Musiker“, „linke Weltverbesserer“ und „Wüstenreligionen, allen voran der, des Islams“ gewettert[21]. Dass aber auch das Judentum mitgemeint ist, ergibt sich aus einer beigefügten Abbildung, auf dem unter der Überschrift „Eine Religion, ein Gott, ein Ende“ drei Bilder zu sehen sind, die jeweils eine brennende Kirche, eine brennende Moschee und eine brennende Synagoge zeigen; über den Bildern sind die jeweiligen Glaubenssymbole (Kreuz, Halbmond, Davidstern) mit einem Durchstrich versehen angefügt. Eklatant ist dabei die Verwendung eines Bildes, das die Verbrennung der Synagoge von Siegen in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zeigt.[22] Die nationalsozialistische Judenverfolgung dient folglich als Vorbild für den Kampf der Germanitas Othala gegen monotheistische „Wüstenreligionen“. Und dieses Weltbild affirmiert „Zwiespalt“ von Fuck Off Production mit seinem Aufruf ans Portal, sich treu zu bleiben.

Legends Lounge

Politisch in dieselbe Kerbe schlägt auch der Betreiber der Location, Werner Runge.[23] Auf seiner Facebook-Seite teilt er regelmäßig Posts von rechten Seiten oder von MdBs der AfD.[24] Damit betätigt er sich selbst als Multiplikator extrem rechter Ansichten. Das erklärt auch, weshalb er ein Konzert wie dieses in seinem Laden organisiert. Es handelt sich nicht um ein Versehen oder um Unkenntnis, sondern um eine aktive Beteiligung an der Veranstaltung eines Szenetreffs von Rechten für Rechte.

Die Bands

Von den vier Bands unterhalten zwei Verbindungen zur NSBM-Szene. Jöschu „J“ K., der Schlagzeuger von Malphas, ist seit 2019 auch Gitarrist bei Forgotten Tomb.[25] Aufgrund von antisemitischen und homophoben Interviewaussagen des Forgotten-Tomb-Bandleaders Herr Morbid („Dieses E-Gay ist ein verdammtes jüdisches Geschäft“), Auftritten auf NSBM-Festivals und als Vorband einer Neonazi-Band wie Absurd[26], hat die Band einen einschlägigen Ruf als NSBM-Vertreter weg, so dass selbst das Münchner Backstage (!) sie 2014 vom Dark Easter Metal Meeting wieder ausgeladen hat[27]. Zwar artikuliert die Band seit 2011 immer wieder Distanzierungen von rechtem Gedankengut[28], doch halten wir diese für eine simple „plausible deniability“ Strategie, da sie noch 2013 auf einem NSBM-Festival in Brandenburg hätte auftreten sollen, das letztlich abgesagt wurde.[29] An dieser Einschätzung halten wir fest, auch wenn Forgotten Tomb in jüngerer Zeit keine einschlägig rechten Äußerungen mehr von sich gegeben haben.

Es gibt aber weitere Verbindungen von „J“ zur NSBM-Szene. Er ist darüber hinaus Mitglied bei Grusig, die bei den oben behandelten Northern Fog unter Vertrag stehen und einen Song zu einer Compilation auf dem Label Sturmglanz beigetragen haben[30]. Weiterhin spielte er von 2021 bis 2023 bei Asgard, die mehrere Produktionen über das NSBM-Label Wolfmond Productions veröffentlicht haben[31]. Nur am Rande sei noch erwähnt, dass er bei Porta Nigra spielt, gemeinsam mit dem Schlagzeuger Obscurus, der 2011 live bei Nargaroth aushalf, die sich ebenfalls seit jeher mit Rechtsextremismusvorwürfen konfrontiert sehen.[32]

Bei Runenwacht wiederum spielt seit diesem Jahr niemand Geringeres als Zwiespalt den Bass für Live-Auftritte.[33] Dadurch ergeben sich unmittelbare Berührungspunkte zur NSBM-Band Carpathian Wolves und zum von Neonazis betriebenen Portal Germanitas Othala. Das könnte auch erklären, warum die Band, das Abspielen ihrer Musik und die Verwendung von Merch auf dem Wolfszeit Festival, einem Black-Metal-Festival in Thüringen mit antifaschistischem Anspruch, verboten ist.[34] Runenwacht erscheint auf einer Liste in einer Reihe mit bekannten Rechtsrock-Bands wie Absurd, Landser, Störkraft oder Stahlgewitter. Vergleichbare Infos zu Irae und Agasch konnten nicht gefunden werden.

Fazit

Das Black Metal over Bavaria entpuppt sich bei näherer Betrachtung folglich als ein Stelldichein der NSBM-Szene. Dafür sprechen die vielfältigen Vernetzungen der beiden Organisatoren Janko Weber und Zwiespalt sowie der beiden angekündigten Bands Malphas und Runenwacht. Vor allem Weber bot und bietet als Betreiber des Labels Northern Fog offen völkischen, antisemitischen und nationalsozialistischen Bands die Möglichkeit, ihre Musik (die vor rechten politischen Botschaften nur so trieft) in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Die Nähe der Organisatoren zu den AfD-Sympathisanten der Bachmann-Hotelgruppe und zu aktivistischen Neonazis wie Dominik H. macht aus dem Konzert damit ein rechtes Szenetreffen. Unter dem Deckmantel eines Kulturabends für den musikalischen Underground können sich Rechtsextreme aller Art dort vernetzen und austauschen. Die Legends Lounge sollte wegen der Organisation solcher Veranstaltungen, die den rechten Ansichten des Betreibers Werner Runge entspringen, in Zukunft mit kritischem Auge beobachtet werden.

[1] http://www.legends-lounge.info/, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[2] https://www.discogs.com/label/245334-Sturmglanz-Black-Metal-Manufaktur, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[3] https://sturmglanz.de/store/shop_content.php?coID=7, https://northernfogrecords.de/imprint.php, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[4] https://twitter.com/Recherche_Jena/status/1521048028978855937, dazu dass Rennsteig ein Bachmann-Hotel ist, s. https://www.hotel-rennsteig.com/das-hotel/, jeweils zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[5] https://www.facebook.com/janko.weber/likes, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[6] https://www.facebook.com/janko.weber, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Sturmglanz_Black_Metal_Manufaktur, https://www.metal-archives.com/labels/Sturmglanz_Black_Metal_Manufaktur/27023, jeweils zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[8] https://www.metal-archives.com/bands/Stutthof/7543, https://web.archive.org/web/20101226042526/http://usuarios.multimania.es/zhtw_h_nikh/stuthoff.htm, jeweils zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[9] Dazu s. https://web.archive.org/web/20101226042526/http://usuarios.multimania.es/zhtw_h_nikh/stuthoff.htm, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[10] https://www.metal-archives.com/albums/Artam/Wahrheit_durch_Krieg/616744, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[11] https://www.antifainfoblatt.de/artikel/rechtes-black-metal-konzert-kleingeredet, zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.

[12] https://web.archive.org/web/20220202002059/http://fightfascism.wordpress.com/2007/04/29/permafrost-d-bandbeschreibung/, https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsextreme_Symbole_und_Zeichen#88, jeweils zuletzt aufgerufen am 01.09.2023.