Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sind das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München (LBGA), die Antisexistische Aktion München (ASAM), sowie der Verband jüdischer Studenden in Bayern (VJSB). Uns ist zu Ohren gekommen, dass Sie das „Hip Hop bewegt 2022“ Festival am 10. September veranstalten. Dabei sollen verschiedene problematische Künstler auftreten – darunter auch der Rapper Kollegah.
Bereits im Dezember 2019 haben wir seinen geplanten Auftritt im Backstage kritisiert, was schließlich zur Absage geführt hat. Grund waren antisemitische und sexistische Äußerungen innerhalb wie außerhalb seiner Musik. Vor wenigen Wochen veröffentlichte er sein neues Album „Free Spirit“, das alles, was an Kollegahs Werk menschenverachtend ist, zusammenfasst – und sich als antisemitisches Gesamtkunstwerk bezeichnen lässt. In einer umfangreichen Analyse von Songtexten und Musikvideos kommt das LBGA zum Schluss, dass sich Kollegah islamistischer, rechtsextremer, marktradikaler, evangelikaler und anthroposophischer Quellen bedient, um durch verschiedene in beinahe allen Songs verstreute Hinweise und Andeutungen, die in den beiden Tracks „Mind Over Matter“ und „Diplomatische Immunität“ kulminieren, eine jüdisch-satanisch-freimaurerische Weltverschwörung an die Wand zu malen, deren Vorstellung auf eine antisemitische Tradition seit dem 19. Jahrhundert zurückgeht, in die auch der Nationalsozialismus eingereiht werden muss.[1] Auch wenn Kollegah offene Hetze gegen Jüdinnen*Juden vermeidet, um sich nicht angreifbar zu machen, sind Antisemit*innen aller Couleur dazu in der Lage, Texte und Videos zu dechiffrieren und den enthaltenen Judenhass zu erkennen und zu verstehen. Viel gefährlicher ist allerdings, dass Kollegah aufgrund seiner großen Popularität und Fangemeinde zum Multiplikator antisemitischer Vorstellungen wird.
Auch Frauenhass ist auf dem neuen Album reichlich vorhanden. Bereits der erste Song „Klassikmusik“ beginnt mit sexistischen und homofeindlichen Zeilen, wenn er Kolleg*innen folgendermaßen disst: „Eure Szenestars sind ladyhaft wie Legolas / Ladyhaft wie Lacy Bras, ladyhaft wie’n Mädchenknast.“ Oder an späterer Stelle: „Ich hab‘ ma‘ in die Scheiße reingeguckt / Kam mir vor wie Gossip-Girls, die nach der Schule auf ihr’m rosa Bettchen / liegend tratschen mit der BFF mit Beinchen in der Luft.“ Im nächsten Track „Monopol“ dürfen natürlich auch misogyne Schimpfwörter nicht fehlen, wenn er sich über ehemalige Weggefährten beklagt: „Früher warst du Bro, heut machst du wie die letzte Fotze Bitch-Moves.“ Im Song „Wie ein Boss“ arbeitet er sich an „Fake-Feminism-Bitches“ und „Groupie-Sluts“ ab, denen er „Frauen mit Ehre“ gegenüber stellt: Ehrbar sind Frauen in Kollegahs Sicht wohl dann, wenn sie keine „Schlampen“ sind – und keine Feminist*innen. Kein Zweifel: Konsequenzen aus vergangenen Skandalen hat Kollegah keine gezogen. Die zweite oder dritte Chance, die ihm immer wieder von Verteidiger*innen gewährt wurde, hat er längst verspielt.
Kollegah stellt allerdings nur die Spitze des Eisbergs dar. Auch andere Künstler, die zum Festival geladen sind, haben in der Vergangenheit mit antisemitischen und sexistischen Aussagen Aufmerksamkeit erregt. So löste Farid Band 2019 bekanntlich mit der Textzeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ (aus einem Duett mit Kollegah) einen nationalen Skandal aus.[3] Kolja Goldstein will in seinem Song „Terzo Mondo“ wiederum den Nahen Osten vom jüdischen Staat befreien und wirft dabei seine eigene jüdische Identität in die Waagschale: „Wahadi, Free Palestine, Free Westbank, Free Gaza und das von nem yahudi, Freiheit!“[4] Nimo zog demgegenüber letztes Jahr Sexismusvorwürfe auf sich, als er den Song „Komm mit“ veröffentlichte, in dem er eine Vergewaltigung explizit darstellt und glorifiziert. Jamule wiederum kassierte einen Shitstorm, nachdem er ein Video veröffentlicht hatte, in dem er sich abfällig und rassistisch über Schwarze Menschen äußerte. Beide baten zwar später um Entschuldigung, doch wie glaubwürdig das ist, bleibe jedem selbst überlassen.[5]
Zusammengefasst fordern wir Sie auf, Kollegah, Farid Bang, Kolja Goldstein, Nimo und Jamule nicht auftreten zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Linkes Bündnis gegen Antisemitismus München
Grüne Jugend München
linksjugend [’solid] München
SJD – Die Falken München
Emanzipatorische Linke München
Antisexistische Aktion München
Verband jüdischer Studenden in Bayern
[1] https://lbga-muenchen.org/2022/08/26/kollegahs-neues-album-free-spirit-antisemitischer-wein-in-neuen-songs/, zuletzt aufgerufen am 30.08.2022.
[2] Die Songtexte sind hier einsehbar: https://genius.com/albums/Kollegah/Free-spirit, zuletzt aufgerufen am 01.09.2022.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Farid_Bang, zuletzt aufgerufen am 05.09.2022.
[4] https://genius.com/Kolja-goldstein-terzo-mondo-lyrics, zuletzt aufgerufen am 01.09.2022.
[5] Zu Nimos Song und Entschuldigung: https://hiphop.de/magazin/news/nimo-entfernt-single, zu Jamules Entgleisung: https://www.lessentiel.lu/de/story/rassismus-vorwurf-gegen-rapper-jamule-315254529884, jeweils zuletzt aufgerufen am 01.09.2022.
3 Kommentare zu „Offener Brief an RTL 2, egoFM, bigFM, Paulaner München und ans Kulturzentrum Sugar Mountain bzgl. des Hiphop Bewegt 2022 Festivals“