Am 14. April 2019 lädt die Muffathalle Jürgen Todenhöfer zu sich ein, um sein neues Buch „Die große Heuchelei. Wie Politik und Medien unsere Werte verraten“ vorzustellen, das er gemeinsam mit seinem Sohn Frédéric Todenhöfer verfasst hat.[1] Wir kritisieren die Entscheidung, ihm eine öffentliche Bühne in München zu bieten, aus verschiedenen Gründen. Zunächst ist unter dem Aspekt Antisemitismus die Gefahr zu konstatieren, dass welcher auf dieser Veranstaltung befördert, wenn nicht verbreitet wird. Im Ankündigungstext heißt es, dass u. a. auch in Gaza für das Buch recherchiert wurde. Gerade zur Thematik Israel und Nahostkonflikt hat sich Todenhöfer in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Insbesondere sei daran erinnert, wie er im Kontext des Gaza-Krieges 2014 ein inszeniertes Bild verbreitet hat, auf dem inmitten einer Betonruine Kinderspielzeug zu sehen ist.[2] Die Aufnahme soll den von der antisemitischen Hamas kolportierten israelfeindlichen Aufruf „Kindermörder Israel“ belegen, entlarvt sich allerdings selbst als Fälschung: Zu groß ist der Kontrast zwischen dem zerstörten Haus und dem gänzlich intakten Spielzeug, das im Nachhinein hineingelegt worden sein muss. Nicht nur, dass sich Todenhöfer als Journalist damit völlig diskreditiert hat, macht er sich damit auch zum Propagandisten der Hamas, zu deren Agitation es gehört, Israel als „Kindermörder“ zu delegitimieren.[3] Nun könnte man meinen, es sei für die Bekämpfung des Antisemitismus hierzulande oder gar in München völlig unerheblich, was am anderen Ende der Welt geschieht. Aber abgesehen davon, dass eine solche Haltung reichlich empathiebefreit ist, sind solche gefälschten Propagandabilder wie dasjenige Todenhöfers auch in Deutschland von Relevanz: werden sie doch in einem Land rezipiert, in dem auch Anschläge auf Synagogen ausgeführt werden, die von den zuständigen Gerichten nicht als antisemitisch, sondern als überzogene Israelkritik gedeutet werden.[4] Es sind eben politische Agitator*innen wie Jürgen Todenhöfer, die durch ihren israelfeindlichen Aktivismus eine Stimmung erzeugen, die derartige Anschläge und Deutungen ermöglicht.
Dieses gefälschte Bild dürfte der „Höhepunkt“ von Todenhöfers israelfeindlichen Ausfällen sein – der einzige war er nicht. Zu erinnern ist auch, dass er Gaza als „Konzentrationslager“ bezeichnete (und Israel damit implizit mit dem Nationalsozialismus auf eine Stufe stellte) und behauptete, die Palästinenser*innen zahlten „den höchsten Preis für Deutschlands schwere Schuld gegenüber den Juden“. Völlig zu Recht kommentiert Martin Krauß, Politikredakteur der Jüdischen Allgemeinen, diesen Satz damit, dass Todenhöfer dadurch „gleich zwei antisemitische Evergreens in einem Satz untergebracht [hat]: den, wonach die Juden an ihrem Leid kassierten, und den von den Opfern, die zu Tätern geworden seien.“[5] Davon abgesehen wurde Todenhöfer häufiger für seine arg einseitige Darstellung des Nahostkonflikts zuungunsten Israels kritisiert.[6] Todenhöfer selbst scheint hiervon unbeeindruckt und reagiert auf die Kritik mit der Aufforderung: „PACKT DIE ANTISEMITISMUS-KEULE EIN!“[7] Dass Israel auch in seinem aktuellen Buch eine große Rolle spielt, wie es in einer Rezension heißt[8], nährt den Verdacht, dass genau solche Positionen auch auf seinem Vortrag zur Sprache kommen werden.
Dabei ist die Nahostthematik noch nicht einmal die einzige, bei der sich Todenhöfer vergriffen hat. Im Dezember 2015 veröffentlichte er gemeinsam mit den Söhnen Mannheims den Song „Nie mehr Krieg“ auf seiner Facebookseite. In diesem heißt es, Muslim*innen „tragen den neuen Judenstern“.[9] Dadurch wird die nationalsozialistische Verfolgung von Jüdinnen*Juden, die in ihrer Vernichtung mündete, stark relativiert: Trotz der massiven strukturellen Diskriminierung und der Bedrohung durch Rechtsradikale, der Muslim*innen ausgesetzt sind, werden sie weder staatlich oder gesetzlich zu Bürger*innen zweiter Klasse mit eigenem Erkennungszeichen gemacht, noch sind sie von einer Vernichtungspolitik bedroht. Dass eine derartige Antisemitismusrelativierung von jemandem wie Xavier Naidoo stammt, der sonst antisemitische Verschwörungstheorien wie die von der Allmacht Rothschilds verbreitet und die Nähe zu Reichsbürgern sucht[10], ist dabei wenig verwunderlich. Dass jemand wie Jürgen Todenhöfer mit ihm zusammenarbeitet und dessen Ergüsse weiterverbreitet, eigentlich auch nicht.
Dazu reicht ein Blick in Todenhöfers eigene Vergangenheit: Von 1972 bis 1990 war er für die CDU Mitglied des Bundestags und galt dort als Vertreter des rechten Flügels der Union, der von politischen Gegner*innen als „Stahlhelm-Fraktion“ bezeichnet wurde. Bereits damals äußerte er Sympathien für Diktatoren wie Augusto Pinochet, für das südafrikanische Apartheidregime und für die Mudschahedin.[11] Zugleich galt er als „Kommunistenfresser“, der vor der sowjetischen Gefahr warnte. Ebenfalls aus der Zeit stammt sein Buch „Ich denke deutsch – Eine Abrechnung mit dem Zeitgeist“, in dem er nicht nur davon schwadroniert, Medien würden bestimmen, was man denken dürfe, sondern auch Obergrenzen für Flüchtlinge fordert, zwischen deutschen Vertriebenen und nicht-deutschen „Scheinasylanten“ fein säuberlich differenziert und von „TV-Negern“ spricht.[12] Eine Distanzierung von derartigen Positionen ist nie erfolgt – und eigentlich auch nicht notwendig. Verschwörungstheorien über die Allmacht der Medien verbreitet er auch heute noch, wie auch der Titel seines neuen Buches andeutet. Das N-Wort dürfte er heute nicht mehr benutzen, empfahl aber noch 2015 uneingeschränkt die Lektüre der nationalsozialistischen Rassentheoretikerin Sigrid Hunke, die bis heute die Neue Rechte wesentlich beeinflusst.[13] Und anstelle seiner Wertschätzung von Pinochet und den Mudschahedin rückte die Relativierung aktueller reaktionärer Regime wie derjenigen Erdogans, Assads oder des IS.[14] Daher muss es auch nicht weiter verwundern, dass nicht nur Querfrontmedien wie die NachDenkSeiten sein neues Buch in höchsten Tönen loben[15], sondern sogar der AfD Stammtisch Ismaning sich auf seinen Besuch in der Muffathalle vorfreut.[16]
Kurzum: Bei Jürgen Todenhöfer handelt es sich um einen rechten Agitator, der reaktionäre, antisemitische und rassistische Inhalte in einem Duktus verbreitet, dass sie auch in der gesellschaftlichen Mitte und sogar in Teilen der politischen Linken Anklang finden. Er darf dabei als Musterbeispiel eines Querfrontaktivisten gelten. Da manche seiner Bücher in den vergangenen Jahren Bestseller waren, ist sein Einfluss auf die Öffentlichkeit nicht zu unterschätzen. Daher ist es an der Zeit, aufzuhören, ihm eine Bühne zu bieten. Wir fordern die Muffathalle dazu auf, die Veranstaltung abzusagen.

3 Kommentare zu „Zur Buchvorstellung mit Jürgen Todenhöfer in der Muffathalle am 14. April 2019“