Evangelikaler Antisemitismus in München – ein kleiner Überblick [aktualisiert 27.11.2024]

Auf israelsolidarischen Demos in München tauchen bisweilen Anhänger*innen des Evangelikalismus auf, einer radikal bibeltreuen christlichen Strömung. Im Folgenden stellen wir ihr Verhältnis zum Judentum heraus und wo sich problematische Akteur*innen und Gemeinden in und um München bewegen. [Ergänzt am 27.11.2024 um den Abschnitt zur Brüderbewegung.]

Komm zu Jesus

Auf der Demo „München gegen Antisemitismus“ am 6. Oktober 2024 anlässlich des erstes Jahrestages des Massakers von 7/10, zu der auch wir aufgerufen haben, konnten wir auch die Beteiligung vereinzelter christlicher Fundamentalist*innen beobachten, beispielsweise hier:

Der Spruch „Komm zu Jesus Er allein rettet“ ist im Kontext einer Demo, die die Solidarität mit Jüdinnen*Juden zum Zweck hat, als Bekehrungsaufruf an diese zu verstehen. Sie sollen sich zu Jesus bekehren, zum Messias, also Christ*innen werden – und ihr Judentum hinter sich lassen. Unserer Auffassung nach ist diese Frontstellung gegenüber jüdischer Religion und Identität als antisemitisch aufzufassen. Das war uns Anlass, uns etwas näher mit der christlichen Judenmission zu beschäftigen und die Situation in München in den Blick zu nehmen.

Zunächst: Eine Judenmission wird durch die beiden christlichen Großkirchen nicht durchgeführt. In einer 2015 veröffentlichten Erklärung der vatikanischen „Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum“ heißt es: „Dies bedeutet konkret, dass die Katholische Kirche keine spezifische institutionelle Missionsarbeit, die auf Juden gerichtet ist, kennt und unterstützt.“[1] Der Sekretär dieser Kommission, Norbert Hofmann, dazu: „Dieses Dokument bringt insofern auch neue Perspektiven, als es sagt: Die Juden sind gerettet, ohne an Jesus Christus als den Sohn Gottes und den Messias Israels zu glauben. Und das liegt im Heilsratschluss Gottes, das zu bewerkstelligen.“[2] Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) wiederum erklärte 1998: „Die Mitglieder der EKD-Delegation betonen, daß die christliche Verkündigung öffentlich geschieht und sich an alle Menschen wendet und stets Einladung zum Hören und zum Gespräch ist. Sie bekräftigen, daß alle Gliedkirchen der EKD eine spezielle Ausrichtung dieser Verkündigung auf Juden, etwa im Sinne einer auf Bekehrung zielenden organisierten ‚Judenmission‘, aus theologischen und historischen Gründen ablehnen.“[3] Noch 2016 kam eine Synode der EKD zum Schluss: „Christen sind – ungeachtet ihrer Sendung in die Welt – nicht berufen, Israel den Weg zu Gott und seinem Heil zu weisen. Alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen, widersprechen dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der Erwählung Israels.“[4] Die schrittweise Abwendung der beiden Kirchen von der Judenmission erfolgte unter dem Eindruck der Shoa infolge massiver Kritik von jüdischer Seite.[5] Oder wie der Rabbiner Joel Berger harsch urteilte: „Die Judenmission ist für mich Fortsetzung des Holocaust mit anderen Mitteln.“[3]

Die Berliner Erklärung der Evangelischen Allianz Deutschland

Nicht alle Christ*innen ließen sich jedoch von den Beschlüssen der Großkirchen beeindrucken, wie gerade das von uns angeführte Beispiel auf der Demo in München zeigt. Mit Sicherheit zählen zu ihnen auch Anhänger*innen der beiden Kirchen, doch zum offiziellen Programm zählt die Judenmission nur in evangelikalen Kreisen. So heißt es in der 2008 veröffentlichten „Berliner Erklärung zur Einzigartigkeit Christi und zur Evangelisation unter Juden in Europa heute“ der Evangelischen Allianz Deutschland (EAD):

„Im Lichte des aufsteigenden europäischen Antisemitismus und der antiisraelischer Haltung [sic] ist nun Wachsamkeit geboten. Jüdische Menschen sind nicht die einzigen Opfer des Völkermordes, wie heute offensichtlich ist. […] Die Quelle allen Völkermordes ist Sünde. Von dieser Sünde ist die gesamte Menschheit betroffen – sowohl der Verfolger als auch der Leidende. Gottes Reaktion auf Sünde ist das Evangelium. Darum muss diese Gnade jedem Menschen verkündet werden. […] Gott ruft Gläubige dazu auf, das Evangelium in die Welt zu tragen. Jeder muss diese Botschaft hören – auch das jüdische Volk. Die Verkündigung an Israel war Jesu Priorität. Es war auch Praxis der Apostel, zuerst zu den Juden zu gehen. Seit Jesus kam, ist nichts geschehen, dass die Not Israels oder der Nationen geändert hat.“[6]

Im Unterschied zu den beiden Großkirchen wird hier ausdrücklich und eindeutig die Bekehrung von Jüdinnen*Juden zum Christentum zum Dogma erklärt. Begründet wird das mit der Sünde, von der auch „der Leidende“ betroffen wäre und die die „Quelle allen Völkermordes“ sei. Da in der Erklärung an anderer Stelle vom „Völkermord im Holocaust“ die Rede ist, besteht kein Zweifel, dass hier verklausuliert behauptet wird, Jüdinnen*Juden seien von der Sünde betroffen, was schließlich zur Shoa geführt hätte und wogegen nur die Bekehrung zu Jesus sie befreien könne. Damit werden Jüdinnen*Juden implizit selbst für die Shoa verantwortlich gemacht aufgrund ihrer Weigerung, Christus als Messias anzuerkennen. Das ist lupenreiner Antisemitismus. Des Weiteren heißt es in der Erklärung:

„Wir erkennen die wichtige Rolle messianischer Juden im Werk und Zeugnis der Gemeinde. Ihr besonderer Beitrag zeugt von den jüdischen Wurzeln des Christentums und führt zum Verständnis unserer jüdischen Wurzeln. Sie erinnern uns an die jüdische Identität Jesu und der ersten Christen. Sie verweisen auch auf die Erfüllung der Verheißung Gottes, sein Volk zu retten. Wir ermutigen sie, fest zu ihrer Identifikation zu stehen und treue Zeugen für ihr Volk zu sein.“

Bei messianischen Jüdinnen*Juden handelt es sich um solche, die an jüdischen Traditionen festhalten, sich aber zugleich zu Jesus Christus als Messias bekehrt haben und missionarisch unter Jüdinnen*Juden tätig sind.[7] Daher erfahren sie von Evangelikalen besondere Unterstützung, wie aus der Berliner Erklärung hervorgeht.

Die EAD ist das größte evangelikale Netzwerk in Deutschland mit über 1,3 Millionen Mitgliedern und in rund 1000 Ortskreisen organisiert. Bei den Evangelikalen handelt es sich um radikale bibeltreue Christ*innen, deren Spiritualität sich vor allem um ihre Bekehrungserlebnisse, ihre „Wiedergeburt in Christus“ konzentriert. Ihren Ursprung haben sie in US-amerikanischen Erweckungsbewegungen, die seit dem 19. Jahrhundert und verstärkt seit den 1970er Jahren nach Deutschland ausgreifen. Viele von ihnen gehören Freikirchen an, manche aber auch der EKD. Generell unterscheidet man zwischen gemäßigten und fundamentalistischen Evangelikalen. Reaktionäre Positionen wie die Ablehnung des Rechts auf Abtreibung oder von Homosexualität werden aber auch von Ersteren mit deutlicher Mehrheit vertreten. Dennoch sind nicht alle der „Christlichen Rechten“ zuzuordnen, die mit rabiatem Aktivismus gegen Frauen- und Schwulenrechte auf sich aufmerksam macht; manche zählen in den USA zu den Unterstützer*innen der Demokratischen Partei.[8] Die Christliche Rechte jedoch zählt uneingeschränkt zum Lager Donald Trumps.[9]

Christen an der Seite Israels

Auch hier vor Ort existiert mit der Evangelischen Allianz München (EAM) ein Ortsverband der EAD, in dem sich rund 25 „Gemeinden, Werke und Bewegungen“ organisieren, die die Berliner Erklärung zur Judenmission von 2008 damit teilen.[10] Eines dieser Werke sind die „Christen an der Seite Israels“ (CSI), die deutschlandweit tätig sind, aber ihren Sitz in Germering bei München hatten, zumindest als Harald Eckert Vorsitz und Präsidentschaft der Organisation (2005-2022) innehatte.[11] Zweifel wecken sie aufgrund ihrer vorbehaltlosen Unterstützung Trumps, dessen Wahlsieg in einem Artikel auf ihrer Homepage bejubelt wird, weil dadurch im Nahen Osten „echte[r] Frieden und Sicherheit möglich und in greifbarer Nähe“ wären.[12] Erst im Juli 2024 veröffentlichte die Organisation zudem ein Positionspapier zur Judenmission, in dem es heißt:

„Dabei ist die Verkündigung des Evangeliums der Urauftrag der Kirche, den wir als Christen prinzipiell bejahen. Als christliches Hilfswerk für das jüdische Volk und den Staat Israel hingegen sind weder wir noch unser internationaler Dachverband Christians for Israel International judenmissionarisch aktiv. Wir verschweigen die Hoffnung in uns (1. Petrus 3,15) und die Liebe Gottes zu seinem Volk als Antrieb für unseren Dienst nicht, wenn wir danach gefragt werden, verfolgen aber auch darin keine‚ versteckte Agenda‘. […] Wir glauben, dass der Gott Israels selbst seine Heilszusage an Israel und den Juden erfüllen wird.“[13]

Hier wird deutlich gemacht, dass die Bekehrung der Jüdinnen*Juden zu Christus bejaht und erhofft wird, dass aber die CSI dezidiert in ihrer Funktion als „christliches Hilfswerk“ selbst keine aktive Judenmission verfolgen. Eine Absage an diese wie durch die Großkirchen findet sich hier auch nicht. Vielmehr wird die Möglichkeit einer aktiven Judenmission im Kontext anderer Werke und Organisationen offengelassen. Ihr ehemaliger Präsident Harald Eckert macht in anderen Kontexten auch deutlich, wie er zum Judentum steht. Auf seiner Homepage bezeichnet er die „Wiederherstellung Israels“, also die Gründung des jüdischen Staates, als ein „neues Kapitel der Heilsgeschichte“ und deutet es als „endzeitliche Rückkehr der Juden nach Israel“. Und weiter:

„‚… und wir werden herrschen auf Erden‘ (Offb 5,10). Mit diesen Worten wird die Kernberufung Israels und der Gemeinde Jesu ausgesprochen. Durch die Menschheits- und Völkergeschichte hindurch sind wir gemeinsam berufen, in einer abgefallenen, leiderfüllten Welt eine Erlösungsgemeinschaft und ein Segen zu sein. Im messianischen Königreich werden wir dann an der Seite des Messias als königliche Priesterschaft unsere letztendliche Berufung antreten und herrschen auf Erden.“[14]

Der jüdische Staat wird also vollständig und ausschließlich durch eine eschatologische Brille gedeutet: Seine Gründung folgte nicht etwa antisemitischen Pogromen, die in der Shoa kulminierten, um einen Schutzraum für Jüdinnen*Juden zu entwerfen – sondern der Berufung Gottes, um an der Seite Christi die Menschheit zu erlösen. Für jüdischen Glauben, für jüdische Identitätsfindung, ob religiös oder säkular, bleibt da kein Platz mehr. Stattdessen müssen sich Jüdinnen*Juden früher oder später zu Christus bekehren. Aus dieser heilsgeschichtlichen Funktion des jüdischen Staates folgt für Eckert auch, dass Christ*innen „für Israel beten, für Zion unsere Stimme erheben und mit Israel zusammenarbeiten“ sollten. Und aus keinem anderen Grund.

International Christian Fellowship

Dieselben Positionen vertritt Eckert als „Israel-Experte“ auch in einem Interview auf dem YouTube-Kanal der International Christian Fellowship (ICF) München. Darin gibt Eckert seiner Hoffnung Ausdruck, dass Israel sich mit Jesus versöhnt, um gerettet zu werden, und erklärt als „Ziel“ die „Erlösung von ganz Israel und die Wiederkunft des Messias“, damit das „messianische Königreich“ anbreche.[15] Bei der ICF handelt es sich um eine „neocharismatische“ Freikirche, die gezielt Jugendliche anvisiert.[16] Ihr Münchner Ableger ist Teil der EAM und agitiert auf dem YouTube-Kanal nicht nur gegen Rechte von Frauen und LGBTIA+, sondern kultiviert dabei auch rechtes Wording wie „Cancel Culture“.[17] Die ICF liefert damit unserer Auffassung Positionen, die wir dem Spektrum der evangelikalen Rechten zuordnen.

Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden

Drei der in der EAM organisierten Gemeinden gehören dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG) an, einer baptistischen Freikirche[18], zu deren Eigenheit der ausschließliche Vollzug der Erwachsenen- statt der Säuglingstaufe zählt[19]. In einer 1997 veröffentlichten „Handreichung zum Verhältnis von Juden und Christen“ wird zwar selbstkritisch eingeräumt, „daß wir unsere jüdischen Schwestern und Brüder vorwiegend unter einseitig missionarischen Gesichtspunkten betrachtet haben“ und dass „wir unser Zeugnis dem jüdischen Volk gegenüber nicht in gleicher Weise wahrnehmen wie unsere Mission an der Völkerwelt“, aber auch erklärt, dass sie sich „besonders jenen jüdischen Menschen verbunden [wissen], die Jesus Christus als den Messias erkannt und angenommen haben. Ihr Zeugnis in Israel und in der Welt wollen wir durch Gebet und andere Zeichen der Verbundenheit stärken und stützen.“[20] Die bereits bekehrten messianischen Juden, die ihrerseits aktiv missionieren, sollen also ausdrücklich unterstützt werden, auch wenn man sich selbst vornehm zurückhält. 

Der BEFG unterzeichnete zudem eine 2003 auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin veröffentlichte „Charta Oecumenica“ und kommentierte dies in einer Stellungnahme von 2005:  „Weil die Fragen der Evangelisation unter Menschen jüdischen Glaubens in den Kirchen unterschiedlich gesehen werden, wendet sich dieser Abschnitt sehr deutlich gegen Antisemitismus und Antijudaismus, lässt aber die Frage der christlichen Mission im Judentum offen.“ Die beiden Theologen Carsten Claußen und Dirk Sager sagen dazu unter Bezugnahme auf die EKD-Erklärung von 1998 treffend: „Das heißt im Umkehrschluss: Der BEFG hätte das Papier nicht unterzeichnet, wenn darin ausdrücklich die Mission unter Juden aus theologischen und historischen Gründen abgelehnt worden wäre.“[21] Auch einige Jahre nach der Handreichung lässt sich der BEFG Möglichkeiten, Jüdinnen*Juden zu missionieren, also offen.

Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten

Nicht alle Freikirchen in München sind in der EAM organisiert. Es gibt mehrere Gemeinden, die der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) angehören[22], die keinen Bezug zur EAD zu haben scheint. Im Unterschied zu anderen Christ*innen sind STA von der unmittelbar bevorstehenden Ankunft Christi und vom Leben in der Endzeit überzeugt und heiligen den Sabbat (Samstag) statt den Sonntag.[23] Organisiert sind die STA in der internationalen Seventh-Day Adventist Church mit Sitz in Silver Spring, Maryland.[24] Im Jahr 2006 wurde ein „Jüdisch-Adventistisches Freundschaftszentrum“ (World Jewish Adventist Friendship Center) mit Sitz in Jerusalem, später in Paris gegründet.[25] Auf der Homepage heißt es:

“Many Jews now recognize that Jesus is the Messiah of Israel. The World Jewish Adventist Friendship Center therefore provides a place within the Seventh-day Adventist denomination for every Jew who is waiting for the second coming of Jesus our Messiah to worship God in the context of their faith without denying their own culture.”[26]

Es geht also nicht um die Knüpfung von Beziehungen zu Jüdinnen*Juden, sondern nur zu denen, die Jesus bereits als Messias angenommen haben – also um messianische Jüdinnen*Juden. Ziel des Zentrums sei es, sie darauf vorzubereiten, “to be ready for the coming of the Messiah by comforting God’s people and speaking tenderly to the heart of Jerusalem”.[27] Im Unterschied etwa zu den CSI oder zu den Baptist*innen machen die Adventist*innen aus ihren Bestrebungen, Jüdinnen*Juden aktiv zu bekehren, keinen Hehl. 

Brüderbewegung

Erwähnenswert ist zudem der „Bibelstand München“. Am 21. November 2024 organisierte dieser eine Veranstaltung mit dem Titel „Israel – Hindernis für den Weltfrieden? Was sagt die Bibel?“ mit dem Referenten Stefan Drüeke.[28]

In einem zwei Tage nach 7/10 veröffentlichten Online-Vortrag deutet auch er den Nahostkonflikt durch eine ausschließlich heilsgeschichtliche Brille. Der Staat Israel sei 1948 nach dem Willen Gottes gegründet worden, der ihn zudem gegen die Vernichtungsbestrebungen der arabischen Nachbarstaaten beschützt hätte. Darüber hinaus hätten die Jüdinnen*Juden „ihren“ Messias, also Jesus, gekreuzigt, worauf Gott mit der Zerstörung ihres Tempels und mit ihrer Verwerfung als sein Volk geantwortet hätte; die Gründung Israels sei jedoch Voraussetzung für die Jüdinnen*Juden, zu Gott zurückzukehren.[29] Mit diesen Vorstellungen geht die Brüderbewegung weit über die Stellungnahmen der EAD und assoziierter Organisationen hinaus. Die Vorstellung, Gott hätte wegen der Kreuzigung Christi, für die Jüdinnen*Juden verantwortlich gemacht werden, sein Volk verworfen und den Bund mit Israel aufgekündigt, ist ein altes antijudaistisches Motiv, das als „Substitutionstheologie“ bezeichnet wird. Die CSI lehnen diese dezidiert und glaubhaft ab[30]; die Brüderbewegung hält demgegenüber daran fest. Die vermeintliche jüdische Verantwortung für den Tod Christi, die mit dieser Theologie verknüpft ist, wird als „Gottesmord“ bezeichnet und ist ebenfalls ein Klassiker des christlichen Antijudaismus.[31]

Drüeke veröffentlicht seine Bücher, darunter solche mit einschlägigen Titeln wie „Jerusalem – du wirst nie mehr weinen“, im CSV Verlag („Christliche Schriftenverbreitung“), der den „geschlossenen“ Gemeinden der „Brüderbewegung“ nahesteht. Ihrem Selbstverständnis nach handelt es sich um Christ*innen (also auch Schwestern …) ohne Selbstbezeichnung, die sich außerhalb kirchlicher Organisationen bewegen, um die Einheit des Christentums betonen.[32] Auch die Mitglieder des Bibelstands verorten sich jenseits von Groß- und Freikirchen und sind daher dieser Bewegung zuzuordnen.[33] Mit der Veranstaltung eines Vortrags Drüekes machen sie sich mit seinen problematischen Ansichten gemein und verbreiten diese in München.

Fazit

Unsere Recherche zeigt, dass Evangelikale ein instrumentelles Verhältnis zu Judentum und Israel haben, dessen Existenz heilsgeschichtlich gedeutet wird: Als Ausdruck göttlichen Willens, Jüdinnen*Juden im Heiligen Land zu versammeln und zum Messias zu bekehren. Sowohl die EAD als auch der langjährige Präsident der Christen an der Seite Israels, der in Germering wohnhafte Harald Eckert, äußern sich dazu unmissverständlich. Daran ändern auch halbgare Distanzierungen von der Judenmission etwa durch die CSI oder den BEFG nichts grundsätzlich; am Ziel einer Bekehrung von Jüdinnen*Juden halten sie nämlich weiterhin fest. Sie soll nur nicht mit dem Vorschlaghammer erzwungen werden. Eine Freikirche wie die STA, die nicht in der EAD organisiert ist, hat sogar ein „Freundschaftszentrum“ zur Betreuung bekehrter Jüdinnen*Juden eingerichtet. Einige evangelikale Gruppen wie die CSI oder der ICF sind bezüglich einer Reihe von Positionen unserer Auffassung nach dem evangelikalen extrem rechten Lager zuzuschlagen.

[1] https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2015/Vatikandokument-50-Jahre-Nostra-aetate.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[2] https://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-und-orthodoxe-rabbiner-nein-zur-100.html, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[3] https://jungle.world/artikel/1999/43/christliche-botschaften, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[4] https://www.ekd.de/pm170_2016_christen_und_juden_als_zeugen_der_treue_gottes.htm, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[5] Vgl. den gut recherchierten und mit Literaturhinweisen versehenen Artikel auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Judenmission#Entwicklungen_seit_1945, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[6] https://www.ead.de/2008/september/10092008-berliner-erklaerung-zur-einzigartigkeit-christi-und-zur-evangelisation-unter-juden-in-europa-heute/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[7] https://remid.de/kurzinformation-religion/kurzinformation-religion-messianische-juden/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[8] Gerald Willms, Die wunderbare Welt der Sekten. Von Paulus bis Scientology. Göttingen/Bristol 2012, 77-83. Zu den politischen Positionen gemäßigter Evangeliker in den USA s. Marcia Polly, Die Neuen Evangelikalen in den USA. Freiheitsgewinne durch fromme Politik. Berlin 2010, 166-187.

[9] https://www.tagesschau.de/ausland/uswahl/trump-religioese-rechte-102.html, https://www.domradio.de/artikel/evangelikale-verehrung-fuer-donald-trump-traegt-groteske-zuege, jeweils zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[9] https://ea-muenchen.de/netzwerk/gemeinden/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[10] Vgl. https://haraldeckert.de/index.php/zur-person, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[11] https://csi-aktuell.de/artikel/unsere-position-zur-judenmission/#0266497e-8ebd-4ae1-9949-4c5c17ab1161-link, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[12]  https://csi-aktuell.de/nachrichten/kommentar-trump-zum-47-praesidenten-der-usa-gewaehlt/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[13] https://csi-aktuell.de/artikel/unsere-position-zur-judenmission/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[14] https://haraldeckert.de/index.php/medien/artikel/59-israel-und-die-voelkerwelt, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[15] https://www.youtube.com/watch?v=6VXMglwdDzM, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[16] Gerald Willms, Die wunderbare Welt der Sekten. Von Paulus bis Scientology. Göttingen/Bristol 2012, 81.

[17] https://www.youtube.com/@icfmuenchen/videos, zur „Cancel Culture” als rechtem Kampfbegriff s. https://www.deutschlandfunkkultur.de/kulturkampf-cancel-culture-anti-woke-usa-100.html, jeweils zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[18] https://www.befg.de/der-befg/wir-ueber-uns, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[19] Gerald Willms, Die wunderbare Welt der Sekten. Von Paulus bis Scientology. Göttingen/Bristol 2012, 46-49.

[20] https://www.befg.de/fileadmin/content/BEFG/Themen/Bundesrat/Bundesrat_2017/Zum-Verhaltnis-von-Juden-und-Christen.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[21] Carsten Claußen/Dirk Sager, Das Verhältnis von Christentum und Judentum. Eine Änderung in der „Rechenschaft vom Glauben“ erläutert, in: Theologisches Gespräch 44 (2020), 107-126, online: https://tobias-lib.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/149857/Sager_001.pdf?sequence=1&isAllowed=y, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[22] Vgl. https://bayern.adventisten.de/kirche-vor-ort/kirchengemeinden/lo/-/-/-/M%C3%BCnchen%2C%20Bayern/30/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[23] Gerald Willms, Die wunderbare Welt der Sekten. Von Paulus bis Scientology. Göttingen/Bristol 2012, 68-69.

[24] https://www.adventist.org/contact/, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[25] https://www.befg.de/aktuelles-schwerpunkte/nachrichten/artikel/freikirchen-und-judentum, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[26] https://jewishadventist-org.netadventist.org/who-we-are?_=1731167517394.6619, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[27] https://jewishadventist-org.netadventist.org/our-mission-statement, zuletzt aufgerufen am 09.11.2024.

[28] Vgl. https://www.bibelstand-muenchen.de/israel.html, zuletzt aufgerufen am 27.11.2024.

[29] https://www.youtube.com/watch?v=4kXggSyf22A, zuletzt aufgerufen am 27.11.2024.

[30] https://csi-aktuell.de/artikel/unsere-position-zur-judenmission/#0266497e-8ebd-4ae1-9949-4c5c17ab1161-link, zuletzt aufgerufen am 27.11.2024.

[31] S. zu Substitutionstheologie und Gottesmordnarrativ Samuel Vollenweider. Antijudaismus im Neuen Testament. Der Anfang einer unseligen Tradition, in: Walter Dietrich/Martin George/Ulrich Luz (Hg.) Antijudaismus. Christliche Erblast. Stuttgart 1999, 40–55; Martin George. Antijudaismus bei den Kirchenvätern. Eine notwendige Polemik?, in: Walter Dietrich/Martin George/Ulrich Luz (Hg.) Antijudaismus. Christliche Erblast. Stuttgart 1999, 74–92; Rainer Kampling, Substitutionslehre, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart 3. Berlin 2010, 310-311; Stefan Rohrbacher/Michael Schmidt, Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorbilder. Hamburg 1991, 221-224; Julius H. Schoeps/Joachim Schlör, Antisemitismus. Vorurteile und Mythen. München 1995, 57-66.

[32] https://www.bruederbewegung.de/themen/verlage.html, https://www.bruederbewegung.de/gruppen/geschlossen.html, jeweils zuletzt aufgerufen am 27.11.2024.

[33] https://www.bibelstand-muenchen.de/Wer_wir_sind.htm, zuletzt aufgerufen am 27.11.2024.

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