Stellungnahme des LBGA zur Forderung Markus Söders nach Abschiebungen von Antisemit*innen mit Migrationshintergrund

Angesichts der zahlreichen antisemitischen Entgleisungen auf den antizionistischen Demos der vergangenen Wochen forderte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am 12. November in einem Gespräch mit der Bild „Turbo-Abschiebungen von Extremisten“. Weiter führt er aus: „Verfassungsfeinden muss die doppelte Staatsbürgerschaft entzogen werden können. Abschiebungen müssen so schnell wie möglich, spätestens innerhalb eines Monats durchgeführt werden.“[1]

Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München lehnt Söders Forderung kategorisch ab, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Die Abschiebung von Antisemit*innen löst das Antisemitismusproblem nicht: Die betreffenden Personen würden dann in anderen Regionen der Welt ihr Unwesen treiben – schlimmstenfalls in Israel selbst. Davon abgesehen suggeriert das, als gäbe es keinen relevanten Antisemitismus von „biodeutschen“ Rechtsextremen, Christ*innen und Verschwörungsideolog*innen.[2]

2. Der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft ist aus juristischer Sicht grundsätzlich schwierig bis unmöglich. Laut Christian Rath, dem rechtspolitischen Korrespondenten des SPD-nahen vorwärts, „muss die Anlasshandlung [für den Entzug der Staatsbürgerschaft] Ausdruck einer ‚Abwendung‘ von Deutschland sein. Reine Sicherheits-Erwägungen genügen demnach nicht für den Verlust der Staatsbürgerschaft.“ Zudem ist ein solcher Entzug ausgeschlossen, wenn die betreffenden Bürger*innen dann staatenlos werden; doch auch im Falle einer doppelten Staatsbürgerschaft „sind die Möglichkeiten des Gesetzgebers laut Bundesverfassungsgericht […] begrenzt.“[3]] Abschiebungen von Staatsbürger*innen innerhalb eines Monats sind unmöglich und in langfristiger Perspektive zumindest sehr schwer umzusetzen. Als Ministerpräsent dürfte Söder das wissen. Dass er das dennoch fordert, ist daher als blanker Populismus zu werten, um sich als „Macher“ im Kampf gegen Antisemitismus zu inszenieren und davon abzulenken, wie sehr er nachhaltige Maßnahmen zur Eindämmung des Übels bislang verschleppt hat und weiterhin verschleppen will.

3. Abschiebungen würden schließlich nur Geflüchtete und Migrant*innen ohne Staatsbürgerschaft treffen. Unserer Auffassung nach sind das Recht auf Asyl und das Recht auf Freizügigkeit universell und gelten für alle. Allein aus humanitären Gründen lehnen wir Abschiebungen aus Prinzip ab – auch von Antisemit*innen. Statt sie auszuweisen, muss ihnen im Falle antisemitischer Handlungen der Prozess gemacht werden – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe und ihrem Glauben. 

Und um Antisemitismus nachhaltig zu bekämpfen, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden: 

  • Besserer Schutz jüdischer Einrichtungen und Institutionen; 
  • mehr Investitionen in Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu Antisemitismus, vor allem im Schulunterricht, aber auch in der Ausbildung staatlicher Beamter; 
  • mehr Investitionen in den sozialen Bereich zur besseren Integration von Migrant*innen und Geflüchteten und zur besseren ökonomischen Absicherung der sozial Schwächeren; 
  • ein entschiedeneres Durchgreifen gegen antisemitische Akteur*innen und Organisationen, ob rechts, links, islamistisch oder aus der sogenannten Mitte. 

Langfristig wäre es entscheidend, an der Überwindung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu arbeiten, deren Strukturen und immanente Widersprüche antisemitische Ideologien immer wieder auf das Neue produzieren und reproduzieren.

[1] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/judenhass-soeder-fordert-abschiebungen-innerhalb-eines-monats-86062004.bild.html?t_ref=https%3A%2F%2Fm.bild.de%2Fpolitik%2Finland%2Fpolitik-inland%2Fjudenhass-soeder-fordert-abschiebungen-innerhalb-eines-monats-86062004.bildMobile.html, zuletzt aufgerufen am 13.11.2023.

[2] Vgl. RIAS Bayern, Antisemitische Vorfälle in Bayern 2022. München 2023, S. 22-23.

[3] https://vorwaerts.de/artikel/deutschen-staatsbuergerschaft-entzogen, zuletzt aufgerufen am 13.11.2023.

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