Statement zur Debatte um die Menschenkette von München ist Bunt, Omas gegen Rechts und der Israelitischen Kultusgemeinde am 18. Juli 2025

Am 18. Juli 2025 fand eine Demonstration der Organisation Palästina Spricht (PS) München in der Nähe der Münchner Synagoge statt. Auf dieser wurde u. a. „Death to the IDF“ oder „Zionisten sind Faschisten, Kindermörder und Rassisten“ skandiert. In einem Redebeitrag spricht PS in religiös-fundamentalistischem Duktus von „über 58.000 Märtyrern“, bezeichnet die Hamas als „palästinensische Widerstandsbewegung“ und behauptet wahrheitswidrig, „dass unter den israelischen Gefangenen überwiegend Soldaten befinden, aktive Reservisten oder im Ruhestand, deren Hände mit dem Blut palästinensischer Kinder befleckt sind“ und dass „der zionistische Staat seit 1948 palästinensisches Land besetzt“.[1] Mit letzterer Aussage macht PS einmal mehr deutlich, dass es der Organisation nicht um Frieden mit dem Staat Israel, sondern um seine Vernichtung geht. Der religiöse Duktus und das Framing der islamistischen und vernichtungsantisemitischen Hamas als „Widerstandsbewegung“ veranschaulichen zudem den zutiefst fundamentalistischen Charakter von PS, die gerade nicht für Palästina spricht, wo in den letzten Monaten große Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung unter Einsatz ihres Lebens gegen die Hamas auf die Straße gingen[2], sondern lediglich für eine Organisation, die das größte Massaker an Jüdinnen*Juden seit der Shoa zu verantworten hat. Die Stilisierung der israelischen Geiseln zu kindermordenden Kriegsverbrecher*innen bildet einen neuen Tiefpunkt ihrer Agitation. Bei den Geiseln handelt es sich oftmals um Teilnehmer*innen eines dem Frieden verschriebenen Musikfestivals und Bewohner*innen der Kibbuzim, sozialistischer Utopieentwürfe mit Kollektiveigentum und dem Anspruch, eine jüdisch-arabische Koexistenz zu antizipieren.

Dass eine derartige Verbreitung menschenverachtender Ideologeme und Fake News zu erwarten war, dazu in unmittelbarer Nähe der Synagoge, war Anlass großer Sorge für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) und brachte München ist Bunt (MiB) und die Omas gegen Rechts (OGR) München auf den Gedanken, eine Menschenkette zu ihrem Schutz zu organisieren. Beteiligt an diesem Gegenprotest waren auch die IKG selbst und die Jüdische Studierendenunion Deutschlands (JSUD) mit entsprechenden Redebeiträgen ihrer Präsident*innen Charlotte Knobloch und Ron Dekel[3]. Es versteht sich von selbst, dass sich die jüdische Gemeinschaft von der angekündigten Demonstration einer Organisation wie PS in unmittelbarer Nähe ihrer Synagoge zutiefst bedroht fühlte. Der Journalist Martin Bernstein fragte im Vorfeld der Demo bei PS für einen Artikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) u.a. an, warum die Demoroute rund um die Synagoge gewählt wurde und ob die Sorgen und Ängste der jüdischen Organisationen nachvollzogen werden könnten. Statt zu antworten, veröffentlichte PS die Anfrage kurzerhand, wich inhaltlich aus und unterstellte der deutschen Presselandschaft implizit, „von der deutschen Staatsräson“ abhängig zu sein und „rechte Methoden der Angstmache und Diffamierung“ anzuwenden, wohlignorierend, dass über die israelische Regierung und den Gazakrieg vielfach auch kritisch berichtet wird und es bei der SZ-Anfrage ausdrücklich um die Situation der jüdischen Gemeinde hier vor Ort ging.[4] Tatsächlich ist es dieser herabwürdigende Umgang von PS mit der Presse, der an rechte Methoden erinnert, da gerade Rechtsextreme gerne pauschal von einer fremdgesteuerten „Lügenpresse“ schwadronieren. Mal davon abgesehen, dass die Hamas, mit der sich PS solidarisiert[5], selbst vom Nationalsozialismus beeinflusst wurde[6] und sich bisweilen an der israelischen Grenze mit der Hakenkreuzfahne schmückt[7].

Als wäre das alles nicht schlimm genug, erschüttert besonders die demonstrative Entsolidarisierung weiter Teile der Münchner Zivilgesellschaft mit der jüdischen Gemeinschaft. So postete das NS-Dokumentationszentrum auf Instagram das Sharepic von IKG, MiB und OGR, nur um es nach wenigen Stunden wieder zu löschen.[8] Und im Nachgang der Demo kam es insbesondere vonseiten profilierter Vertreter*innen der LINKEN zu lautstarken Klagen über den Gegenprotest. MdB Nicole Gohlke unterstellte den Organisator*innen der Menschenkette, „das Geschäft der Rechten“ zu erledigen, indem sie „den Diskurs, Palästina-solidarische Stimmen wollten Jüdinnen und Juden gefährden, mit befeuer[n]“.[9]

Thomas Lechner, der für die Partei im Münchner Stadtrat sitzt, trat öffentlichkeitswirksam aus MiB aus, unterstellt in seiner Begründung der Menschenkette, „eine Initiative mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ zu sein und „anti-muslimischen Rassismus verstärkt“ zu haben, bestreitet „eine ‚Gefährdung‘ der Synagoge“ durch PS und behauptet, es gebe „keinen grundsätzlichen ‚religiösen‘ Konflikt“ zwischen Jüdinnen*Juden und Palästinenser*innen, was auch niemand behauptet hat und demonstriert, dass Lechner offenbar nicht begreift, dass sich Antisemitismus nicht auf eine religiöse Abneigung gegen Jüdinnen*Juden reduzieren lässt; schließlich wird MiB und OGR unterstellt, „die Vertreibungspolitik einer in Teilen rechtsextreme[n] Regierung“ (gemeint ist die israelische) zu unterstützen, obwohl in den Aufrufen von IKG, MiB und OGR vom Gazakrieg keine Rede ist[10] und in jenem der OGR explizit gemacht wird, dass die Bedrohung der Münchner Jüdinnen*Juden im Zentrum steht, die „keine VertreterInnen des Staates Israel [sind] und […] mit der israelischen Politik nichts zu tun“ hätten[11].[12] Gerade weil die OGR aktuell seitens der CDU/CSU unter Beschuss stehen[13], ist eine derartige Delegitimierung antifaschistischer Initiativen nicht nur sachlich falsch, sondern hochgefährlich.

Auch das Argument Lechners, dass „im Demonstrationsaufruf [von PS, Anm. LBGA] auch keinerlei Bezug zur Synagoge oder dem jüdischen Leben in München hergestellt wurde“, überzeugt nicht. Angesichts der Kommunikationslatenz in Bezug auf Antisemitismus[14] vermeiden selbst so antisemitische Akteur*innen wie die AfD, München steht auf, PEGIDA etc. offene verbale Angriffe auf Jüdinnen*Juden. Und dennoch würden sich Lechner, Gohlke et al. zu einer Menschenkette einfinden, würden die genannten Akteur*innen zur Verbreitung ihrer Dog Whistles in unmittelbarer Nähe der Synagoge ihre Demonstrationen organisieren. Dass PS wissentlich und willentlich genau das getan hat, ist nämlich die von ihnen erzeugte Drohgebärde gegenüber der jüdischen Gemeinde, die diese auch als solche verstanden hat. Nach dem Motto „Show, don’t tell“ braucht PS in ihrem Aufruf diesen Vorgang nicht weiter zu kommentieren, damit die Botschaft bei den Münchner Jüdinnen*Juden ankommt.

Argumentiert wird sowohl von PS als auch von Lechner zudem damit, dass die Demo zunächst am Marienplatz geplant und vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) an den Rindermarkt verlegt worden sei, die Nähe zur Synagoge also Zufall. Zu Recht weist Bernstein darauf hin, dass die Verlegung nur für die Auftaktkundgebung galt und die Demoroute von PS gezielt an der Synagoge vorbeiging.[15] Also einmal mehr Fake News von PS. Und doch wird diese Behauptung von Lechner aufgegriffen und verbreitet. Mehr noch: Auch Paula-Irene Villa Braslavsky liket Lechners Post auf Facebook und macht sich damit gemein.[16] Für eine Vorsitzende des Beirats des NS-Dokumentationszentrums München, deren Mitglied auch Charlotte Knobloch als eine Vertreterin der Opfergruppen ist, ist eine solche Positionierung besonders beschämend, könnte dann aber auch erklären, weshalb das Sharepic für die Menschenkette gelöscht wurde.

Der Paternalismus und die Ignoranz von Teilen der Münchner Zivilgesellschaft gegenüber der jüdischen Gemeinschaft ist schockierend. Sind es doch jüdische Organisationen wie die IKG und die JSUD, die sich von PS bedroht fühlen, wenn sie in der Nähe der Synagoge demonstrieren. Und das auch zu Recht: Die offene Sympathie von PS für die Hamas und für den Massenmord an Jüdinnen*Juden, ihre teilweise islamisch-fundamentalistische Haltung, die mehr schlecht als recht mit einem antikolonialen und antirassistischen Rhetoriksirup überdeckt wird, ihre Diskursverweigerung, wie der Umgang mit der Presse und die Verbreitung von Fake News zeigen, und die demonstrative Provokation gegenüber der jüdischen Gemeinschaft, indem eine Demo gezielt in der Nähe ihrer Synagoge angesetzt wird, machen deutlich, dass sie nicht nach Frieden und Aussöhnung streben, sondern danach, Jüdinnen*Juden das Leben möglichst schwer zu machen. Gerade vor dem Hintergrund des antizionistischen und von Neonazis unterstützten Olympia-Attentats 1972, das elf jüdischen Israelis das Leben kostete, des Anschlags auf das israelische Generalkonsulat im letzten Jahr und der Ermordung zionistischer jüdischer und israelischer Aktivist*innen in Washington und Boulder in diesem Jahr ist die Bedrohung für Jüdinnen*Juden in München durch antizionistische Akteur*innen wie PS ernstzunehmen. Gohlke, Lechner, Villa Braslavsky und ähnlich gesinnte Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, die sich zweifellos um Vieles verdient gemacht haben, liefern demgegenüber Beispiele dafür, wie massiv sich der Diskurs durch und seit dem Massaker am 7. Oktober verschoben hat: PS und Hamas gelten in linken, liberalen und progressiven Kreisen vielfach als ernstzunehmende Stimmen eines legitimen Widerstands, während die israelische Friedensbewegung und die jüdische Gemeinschaft in der Diaspora als Rechte diffamiert und/oder ganz einfach ignoriert werden. Es handelt sich um einen Akt expliziter Entsolidarisierung von der jüdischen Gemeinschaft. Unsere Forderung an die Münchner Zivilgesellschaft ist klar: Hört auf die organisierten Stimmen aus IKG, JSUD und anderen jüdischen Zusammenschlüssen, die sich seit dem 7. Oktober Drohungen und Angriffen ausgesetzt sehen, wie sie in Deutschland Jahrzehnte lang nicht bestanden. Und hört endlich auf, der pseudo-linken Selbstinszenierung der (teilweise islamistischen) Hamas-Sympathisant*innen von PS auf den Leim zu gehen.

[1] https://www.facebook.com/juedischesforum/videos/1244467950215668, https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-synangoge-menschenkette-palaestinenser-demonstration-li.3285915, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[2] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-protest-gegen-hamas-100.html, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[3] https://www.instagram.com/p/DMZ5Zyric_H/, https://www.facebook.com/juedischesforum/videos/1244467950215668, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[4] https://www.instagram.com/p/DMNsLv1sIvz/?img_index=1, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[5] S. https://www.feierwerk.de/fileadmin/firm/Analysen___Recherchen/Feierwerk_firm__Analyse_Palaestina_spricht_2024.pdf, S. 13-15, https://report-antisemitism.de/documents/20240429_Rias_Bayern_Jahresbericht_2023.pdf, S. 33-34, jeweils zuletzt aufgerufen am 23.07.2025.

[6] https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/konstraste-vom-30-11-2023/hamas-nazi-propaganda.html, https://www.iz3w.org/artikel/hamas-nazideutschland-antisemitismus, jeweils zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[7] https://www.jpost.com/arab-israeli-conflict/in-pictures-20000-palestinians-protest-in-gaza-549055, https://x.com/IsraelinGermany/status/1158731514810683393?s=19, jeweils zuletzt aufgerufen am 23.07.2025.

[8]

Der Post ist auf der Instagramseite nicht mehr auffindbar, s. https://www.instagram.com/nsdoku/, zuletzt aufgerufen am 23.07.2025.

[9]

[10] https://www.instagram.com/p/DMLESUwoVJD/, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[11] https://www.instagram.com/p/DMM4E7hskd0/, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[12] https://www.facebook.com/ThomasLechner.Stadtrat/posts/pfbid0TKp41k6XR23oZiqqfZMsHmmzomQJnFpWrtpXM4cfxFTg49uzSCQuAghRHNi8mWN9l, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[13] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/omas-gegen-rechts-union-100.html, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[14] https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/dossier-nationalsozialismus/28810/deutsche-vereinigung-und-ns-vergangenheit/, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[15] https://bsky.app/profile/martinbernstein.bsky.social/post/3lug65i6nic2j, zuletzt aufgerufen am 22.07.2025.

[16] https://www.facebook.com/lechnerthomas/posts/pfbid0bTbmAWC1osSWazNzzT6zqzNtYh5AL64EPzwk31Tn4WDTHT1cKVEHRYfBhns2PK9Bl, zuletzt aufgerufen am 23.07.2025.

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